■ Verhandlungsbeginn mit den Indianern in Mexiko
: Die Regierung Salinas in der Klemme

Ganz schön dumm steht Mexikos Regierung da. Da setzt sie zu Beginn des Aufstandes das Militär ein – und kriegt die Guerilla nicht klein, sondern im Gegenteil einen Haufen Ärger. Da verkündet sie eilig einen Waffenstillstand, um wieder Ruhe zu haben – und der Sympathieschub für die Zapatistas geht erst richtig los. Da behauptet sie, die Guerilla sei vom Ausland gesteuert – und muß dann mit den EZLN-Comandantes eine Nationalflagge halten und feierlich verkünden, daß sie alle MexikanerInnen seien. Wohl noch nie hat man eine lateinamerikanische Regierung wegen eines Indianeraufstandes derartig abstürzen sehen.

Die schnellen Gesprächsangebote von Präsident Salinas an die Aufständischen waren zweifellos vor allem dazu da, der Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und als die EZLN noch als zwar unbequeme, aber kleine Gruppe von bewaffneten „Indios“ erschien, da hätte diese Strategie auch aufgehen können: erst Waffenstillstand, dann Gespräche, dann Entwaffnung der Rebellen – und der Chiapas-Aufstand wäre wie hunderte vorher ergebnislos im Sande verlaufen. Heute hat die Regierung dazu kaum mehr eine Chance. Das liegt zwar auch an der militärischen Stärke der Zapatistas, vor allem aber an der mexikanischen Öffentlichkeit. Die hatte zunächst peinlich berührt auf „die armen Indios“ reagiert, ohne sich aber mit ihnen als bewaffneter Bewegung zu solidarisieren. Das hat sich längst geändert. Die Sprache des „Marcos“ hat die Öffentlichkeit verzaubert und für sich vereinnahmt. Und im Sommer sind Wahlen.

Ob die Gespräche scheitern oder nicht – für die Regierung ist beides von Nachteil. Noch immer will sie nicht über nationale Themen wie Verfassungsänderungen und Wahlrechtsreform verhandeln. Genau darüber, verkünden die Zapatistas, werde man aber reden müssen. Eine Teilautonomie für die indianischen Gebiete, wie die EZLN fordert, könnte die Regierung nur gegen den Widerstand der Landbesitzer zugestehen – und das schafft deutliche Probleme mit der eigenen Klientel.

Bleibt es aber nur bei kleinen Schönheitsreparaturen, wird der Dialog nicht lange dauern. Denn die Zapatistas sind, wie sie selbst sagen, weder nach San Cristóbal gekommen, um Reue zu bekunden noch, um sich veräppeln zu lassen. Was passiert, wenn die Verhandlungen scheitern? Als bewaffnete Gruppe müßte die EZLN militärisch vorgehen. Wenn aber die Kämpfe wieder aufflammen, ist das für die Regierung ebenfalls fatal, denn ein Indianerkrieg im eigenen Land paßt nun wirklich nicht in ihre Erste-Welt-Freihandelsträume. Die Regierung ist in der Klemme. Nach Jahrzehnten betrügerischer Herrschaft ist ihr das zu gönnen. Bernd Pickert