: Clinton will sich in Bosnien Zeit lassen
Im Unterschied zur UNO plant die US-Regierung vorerst kein neues Ultimatum gegen bosnische Serben / Russische Bosnien-Initiative erntet in Washington Mißmut und Lob ■ Aus Washington Andrea Böhm
Es waren drehbuchgerechte Bilder – eigentlich ganz nach amerikanischem Geschmack: Schauplatz Bosnien. Ein langersehntes Kontingent von Blauhelmen wird von der Bevölkerung mit Tränen in den Augen, Jubelrufen und Slibowitz als „Befreier“ begrüßt. Nur die Darsteller waren die falschen: Bosnische Serben schlossen russische Soldaten als ihre „slawischen Brüder und Retter“ in die Arme.
Und so stießen diese Bilder in Washington sauer auf, zumal sie noch von Kommentaren aus Moskau unterfüttert wurden. Rußland sei zu den Ursprüngen seiner historischen Rolle auf dem Balkan zurückgekehrt, erklärte Wjatscheslaw Kostikow, Pressesprecher von Boris Jelzin. Man habe die Serben verteidigt und „unseren Einfluß in Europa und der Welt nachdrücklich klargemacht“.
Doch bei allem Mißmut über die Verbrüderungsszenen zwischen Russen und Serben: Offiziell lobte man die russische Bosnien- Initiative. Der Clinton-Administration war es letztlich recht, daß Moskaus Vorstoß die bosnischen Serben dazu brachte, schweres Kriegsgerät aus der 12-Meilen- Zone um Sarajevo abzuziehen und der Nato damit ersparte, die angedrohten Luftangriffe wahrzumachen. Zwar weiß auch in Washington jeder, daß in den Bergen um Sarajevo nach wie vor serbische Artilleriegeschütze stehen, doch im Weißen Haus beließ es US-Präsident Bill Clinton bei einer Warnung an die Adresse der Serben, die Waffen nicht in anderen Gebieten Bosniens einzusetzen.
Mit einer Ausdehnung des Ultimatums auf andere belagerte Städte wie Tuzla und Srebrenica will sich Clinton im Gegensatz zur UNO und anderen Nato-Mitgliedsländern lieber Zeit lassen. Man diskutiere diese Option mit den Alliierten, doch wichtig sei, daß „die Nato keine Missionen beginnt, die sie nicht voll durchhalten kann“. Dieses Statement beschreibt weniger das Dilemma der Nato als das der USA: Um das Ultimatum ausdehnen zu können, braucht man nicht nur Nato- Kampfflieger, sondern vor allem zusätzliche Blauhelme, um einen Waffenstillstand kontrollieren zu können. Daran mangelt es der UNO bereits jetzt, und der Ruf nach amerikanischer Verstärkung wird immer lauter. Erst am Montag hatte der russische Verteidigungsminister Pawel Gratschow seinen US-Kollegen Perry bei einem vierzigminütigen Telefongespräch aufgefordert, Blauhelme zur Kontrolle der Waffen der bosnischen Armee zu stellen. Bodentruppen will Washington aber erst entsenden, wenn ein von allen drei Kriegsparteien „freiwillig“ unterzeichneter Friedensplan in Kraft ist, den die USA zudem noch für „durchsetzbar“ befinden müssen.
Bei einem Treffen zwischen US- Außenminister Warren Christopher mit Bosniens Premierminister Haris Silajdžić am Montag in Washington wurde deutlich, daß Washington mittlerweile beabsichtigt, die bosnische Regierung zu einer „freiwilligen“ Aufgabe ihres Landes zu drängen – diese also einer wie auch immer gearteten Teilung zustimmen soll.
Gleichzeitig wartet man bei den sogenannten Friedensverhandlungen mit einer neuen diplomatischen Initiative auf: Während sich in den letzten Wochen die internationale Öffentlichkeit auf das Ultimatum gegen die bosnischen Serben konzentrierte, verhandelten US-Diplomaten in Zagreb und Sarajevo, um ein Friedensabkommen zwischen den bosnischen Kroaten und der bosnischen Regierung zustandezubringen. Dies könnte nach Angaben des amerikanischen Sondergesandten Charles Redman der erste Schritt zu einem gemeinsamen muslimisch-kroatischen bosnischen Staat sein, der am Ende gar eine wirtschaftliche Konföderation mit Kroatien bilden könne. Die Idee ist keineswegs neu, doch über die Frage, wie realistisch dieses Vorhaben ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Offensichtlich will man in Washington über diese Verhandlungsschiene den diplomatischen Druck auf die bosnischen Serben erhöhen.
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