■ Cash & Crash
: Der Schuldenhandel boomt

Berlin (taz) – Die Schuldenkrise, die mit der Zahlungsunfähigkeit Mexikos im Jahre 1982 begann, hätte in den Achtzigern beinahe den ganz großen Crash des Finanzsystems bewirkt. Doch die Banken schafften es, sich durch fette Rückstellungen für ihre ausstehenden Forderungen an Entwicklungsländer abzusichern.

Inzwischen sind die Schulden, jedenfalls die von Schwellenländern wie Südkorea oder Argentinien, zu attraktiven Wertpapieren geworden.

Einige Banken, vor allem aus den USA, haben ein boomendes Geschäft aufgebaut, indem sie mit den Schulden handeln, als ob sie Anleihen oder andere Wertpapiere wären. Mitte der achtziger Jahre aufgekommen, ist der Schuldenhandel inzwischen vor allem in New York und London zu einer wichtigen Wertpapier- Geschäftssparte geworden. Jetzt hoffen manche Banken, das System auch auf die Schulden der osteuropäischen Länder auszudehnen.

Das Geschäft funktioniert so: Ein Investor kauft einer US- Bank einen Schuldschein aus, sagen wir, Argentinien ab. Doch er bezahlt nicht den offiziellen Wert. Für jeden Dollar argentinischer Schulden zahlt er der Bank nur fünfzig Cents. Sollte Argentinien wirklich eines Tages seine Schulden vollständig zurückzahlen, bekommt der Investor das Doppelte des Kaufpreises. Aber auch wenn dieser Idealfall nicht eintritt, lassen sich damit Gewinne machen. Argentinien muß nämlich die Schuldzinsen auf den vollen Nennwert berechnet zahlen. Und seit sich die meisten Schwellenländer wieder langsam wirtschaftlich erholen, steigt der Wert der Schulden auf den sogenannten Sekundärmärkten. Darauf läßt sich nun in gleicher Weise spekulieren wie auf steigende Aktienkurse.

Mit langfristigen Schuldscheinen aus Schwellenländern ließen sich letztes Jahr immerhin 44 Prozent Gewinn machen, mehr als so mancher Aktienfonds im Börsenboomjahr 93 schaffte.

Schön für risikofreudige Spekulanten, weniger erfreulich für die Schuldnerländer. Zum einen sind es wohlhabende Investoren aus den Industrieländern, die den Nutzen aus den Preisabschlägen für die Schulden ziehen, nicht die viel bedürftigeren Entwicklungsländer. Zum andern stellt sich die Frage, was geschieht, sollten die Schwellenländer erneut in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Als die Schuldenkrise der Achtziger ausbrach, da waren wenige Großbanken die Hauptgläubiger. Diese waren extrem verhandlungsbereit, weil sie Bankrott gegangen wären, wenn die Entwicklungsländer den Schuldendienst eingestellt hätten.

Und weil ein Bankrott der Großbanken die Weltwirtschaft in die Krise gestürzt hätte, waren auch die Regierungen der Industrieländer sehr entgegenkommend und stellten Überbrückungsgelder bereit und erließen sogar ein paar Schulden. Doch wenn jetzt die Schuldscheine in den Händen zahlreicher kleiner Spekulanten sind, dann kann es den Banken wie auch den Regierungen der westlichen Länder schlicht egal sein, wenn die Entwicklungsländer pleite gehen. Nicola Liebert