Grenzschützer lauschen für den BND

■ Fernmeldegruppe des BGS hört bis zum Ural ab

Berlin (taz) – Der Bundesgrenzschutz (BGS) ist zumindest teilweise ein unbekanntes Wesen. Das gilt besonders für jene Einheit, die den Namen „Gruppe Fernmeldewesen“ trägt und deren Zuarbeit für das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz erst jüngst bekanntwurde. Im Bonner Entwurf für die Novellierung des BGS-Gesetzes räumte die Regierung erstmals ein, daß diese Fernmeldeeinheit schon seit langem im Wege der „Organleihe“ im Radioäther für die Kölner Schlapphüte Lauschaufgaben übernimmt. Es handele sich dabei um eine Praxis, die mit der geplanten Gesetzesänderung eine neue rechtliche Grundlage erhalten soll. Zur Begründung wird im Regierungsentwurf unter anderem angeführt, die vom Bundesgrenzschutz betriebene „Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik“ diene der Aufklärung geheimdienstlicher Funkaktivitäten anderer Länder.

Bedeutung habe sie aber auch bei der Beobachtung ausländischer Terrorgruppen. Dafür benötige der Verfassungsschutz den Grenzschutz, um feststellen zu können, ob militante rechts- und linksextremistische Personen und Gruppen versuchen, „den Funkverkehr der Sicherheitsbehörden abzuhören und diesen dadurch aufzuklären“. Dies ist offenbar aber nur die halbe Wahrheit.

Kenner des Bundesgrenzschutzes berichten nun, daß sich die Lauschereien des BGS keineswegs nur auf Aufträge des Verfassungsschutzes beschränken. Die „Gruppe FM-Wesen“, die dem Grenzschutzpräsidium West in Bonn unterstellt ist, soll darüber hinaus „eigene Aufträge“ wahrnehmen – sie soll ebenso auch für den Bundesnachrichtendienst tätig sein. Die Ergebnisse der Lauschereien würden zudem nicht nur den entsprechenden Diensten in Pullach und Köln zur Verfügung gestellt, die aufgeschnappten Erkenntnisse würde der BGS auch für die eigene Arbeit auswerten. In der Praxis bedeutet das, daß der Bundesgrenzschutz alltäglich das grundrechtlich verankerte Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten unterläuft.

Auch innerhalb des Bundesgrenzschutzes gilt die „Gruppe FM-Wesen“ als eine abgeschottete Einheit. Die technischen Anlagen der Fernmeldegruppe, die ihren Sitz in Swisttal-Heimerzheim hat, werden als hochmodern beschrieben, die elektronischen Abhörmaßnahmen könnten hin „bis zum Ural“ betrieben werden. Zur Begründung heißt es lapidar, es würden „Grenzsicherungsaufgaben“ wahrgenommen. Da bleibt so manche Frage offen, etwa die, ob der BGS neuerdings Grenzsicherung im Ural betreibt. Wolfgang Gast

Kritik an Gesetzentwürfen

Bonn (dpa) – Die Gesetzentwürfe von Koalition und SPD-Opposition zur Kriminalitätsbekämpfung beinhalten nach Auffassung mehrerer Juristen- und Bürgerrechtsorganisationen statt Hilfe und Vorbeugung lediglich „Repression und Verfassungsbruch zu Wahlkampfzwecken“. Sprecher von acht Vereinigungen wandten sich gestern auf einer Pressekonferenz in Bonn vor allem gegen die von CDU/CSU und FDP geplanten Schnellverfahren im Strafprozeß bei sogenannter Massenkriminalität. Kritisiert wurde auch die von der SPD vorgeschlagene Umkehr der Beweislast, wonach ein Verdächtiger die legale Herkunft seines Vermögens belegen muß. Das von der Koalition eingebrachte „Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994“ und ein Entwurf der Sozialdemokraten sollen am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden. Für den Verband „Strafverteidigervereinigungen“ kritisierte der Kölner Anwalt Christoph Meertens, die Koalitionspläne zur Verkürzung der Haupt- und Strafbefehlsverfahren seien ein „gravierender Rückschritt in der Rechtskultur des Strafprozesses in Deutschland“.