Willkommen auf dem Acker

■ Trotz brodelnder Gerüchteküche: Bei Sülldorf entsteht ein neues Flüchtlingscamp Von Paula Roosen

Die Nachricht vom anlandenden Flüchtlingsstrom sorgt in Sülldorf seit Wochen für Gesprächsstoff. „Bei uns in der Feldmark soll kein Ghetto entstehen“, so der Tenor der Widersacher. „Wie können wir die Ausländer willkommen heißen?“, fragen sich die Befürworter, die die Flüchtlingsarbeit als Bereicherung ansehen. In der dörflichen Idylle zwischen Blankenese und Rissen soll im Mai eine Holzhaussiedlung für 324 Asylbewerber entstehen.

„Nach den deutschen Obdachlosen kräht kein Hahn“, beschwerte sich ein älterer Herr am Dienstag auf einer Informationsveranstaltung im Gemeindehaus. „Warum werden die Flüchtlinge im Landschaftsschutzgebiet angesiedelt?“, wollte eine Vertreterin der örtlichen Initiative zur Erhaltung des „letzten Geestdorfs Hamburg“ wissen. Ein anderer Sülldorfer fragte mißtrauisch, ob die Ausländer denn mit „deutschen Gepflogenheiten“ vertraut seien und wollte wissen, ob deren Kinder die örtliche Grundschule stürmen würden.

Der Altonaer Bezirksbürgermeister Hans-Peter Strenge versuchte die Wogen zu glätten. Zuerst nahm er den Gerüchtemachern den Wind aus den Segeln: Ein Sülldorfer Bauer würde sich mit den Flüchtlingen auf seinem Acker eine goldene Nase verdienen, hatte es geheißen. Welch ein Unsinn - das Gelände gehört der Stadt. Nachdenklich gewordene Eltern konnten beruhigt werden: Die Unterrichtsvorbereitungen für über ein Dutzend Zuwandererkinder sind längst angelaufen. Und auch der Landschaftsschutz soll nicht zu kurz kommen: Das auf fünf Jahre angelegte und komplett demontierbare Pavillondorf ist nach Darstellung Strenges „ein Garant“ dafür, daß in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Krankenhaus Rissen „sonst keine unerwünschten Bautätigkeiten durchgeführt werden können“.

Nachdem das Mißtrauen einiger Veranstaltungsteilnehmer sogar in puncto Kriminalität zerstreut werden konnte, wandten sich die Sülldorfer der Zukunft zu. Mitglieder der runden Tische Sülldorf, Rissen und Blankenese, der Krankenhausbetriebsrat, viele Einzelpersonen sowie die Kirche wollen den Asylbewerbern und ihren Kindern den Neuanfang erleichtern. Notwendig sind Deutschunterricht, Hausaufgabenhilfe und die Begleitung bei Behördengängen. Es werden vor allem Familien aus Afghanistan, Ägypten und Rumänien sowie aus Ex-Jugoslawien erwartet, dazu kommen einzelne Flüchtlinge aus Schwarzafrika.

„Die Menschen machen sich klein und fallen im Stadtbild kaum auf“, schilderte eine Mitarbeiterin aus einer Osdorfer Unterkunft ihre Eindrücke, „sie spüren, daß sie nicht willkommen sind.“ Die wenigen ehrenamtlichen BetreuerInnen werden in den winzigen, überfüllten Zimmern um so herzlicher empfangen, erzählte eine Frau von den Blankeneser Flüchtlingshelfern. Sie selbst habe das oft „als beschämend“ empfunden.

Obwohl die Zahlen der neuankommenden Asylbewerber rückläufig sind, ist der Platzbedarf nach wie vor immens. Viele Flüchtlinge leben in überteuerten Pensionen auf dem Kiez, andere in baufälligen Häusern wie der Unterkunft am Knabeweg. Daran gemessen werden die neuen Holzhäuser nahezu wohnlich sein. Mittlerweile gibt es im Stadtgebiet 13 Pavillondörfer verschiedener Bauart. Die Behörde rechnet für die nächsten Wochen weniger mit Asylsuchenden als mit deutschstämmigen Aussiedlern etwa aus Kasachstan und Kriegsflüchtlingen aus Bosnien. Allein 1100 Bosnier leben augenblicklich auf den Schiffen im Neumühlener Hafen.