Himmlisches Blätterrauschen

■ Ab heute in der Kunsthalle: Italienische Zeichnungen aus drei Jahrhunderten, in ihrer ganzen Frische und Herrgottsseligkeit

Entzücken durchrauscht die jungen Frauen, halb winden sie sich schon in Ekstase: Droben prangt nämlich bereits die Verheißung, in Gestalt des Heilands womöglich. So hat sich der Meister Gregorio di Ferrari seine Himmelsvision ausgemalt, unter der Kuppel der Genueser Kirche SS. Croce. Der ganze Liebreiz der Szene aber ist schon auf einem kleinen Blatt festgehalten, das Gregorio zuvor in brauner Tusche aufs Papier huschte. Die delikate Skizze ist jetzt in der Bremer Kunsthalle zu sehen, zusammen mit 90 weiteren Blättern: Die „italienische Zeichnungen“ des Hauses, vom 16. bis ins 18. Jahrhundert hinein, sind jetzt erstmals in einer repräsentativen Auswahl ausgestellt.

Wie die Skizze zu Gregorios verzückten Anbeterinnen, geben auch die übrigen Zeichnungen den heutigen Betrachtern vor allem einen Einblick in den Schaffensprozeß der Künstler. Klug veranschaulicht die Ausstellung die unterschiedlichen Aspekte und Funktionen der Zeichnung: Diese galt ja nicht als eigenständiges Medium, sondern diente z.B. zur Vorbereitung größerer Fresken, Altaraufbauten, auch Bühnenbilder, oder zur Ausarbeitung von Details.

Im Katalog lassen sich die Skizzen nun mit den vollendeten Werken vergleichen, lassen sich die Veränderungen im Laufe der Bildproduktion nachspüren - wobei die Zeichnungen heute, im Vergleich mit der oft strengen Monumentalität der formvollendeten Prachtwerke, in ihrer Ideenfrische und Spontaneität eben doch einen eigenständnigen Reiz entwickeln.

Zumal „jedes Blatt seine eigene geschichte hat“, wie die Kunstwissenschaftlerin Sonja Brink sagt. Zweieinhalb Jahre lang hat sie diese Geschichten nachverfolgt und aufgeschrieben. Und auch da wird die, ansonsten oftmals unergründlich erscheinende, Kunstproduktion der Meister für uns etwas durchschaubarer: Das Vorbild für seine Heroen fand der Florentiner Federico Zuccaro z.B. quasi auf der Straße - eine Kreidezeichnung der Kunsthalle zeigt uns einen wind- und wettergegerbten Laienbruder, dessen markige Züge später eine Figur in einem prachtvollen Deckenfresko Zuccaros zierten.

Mit der Ausstellung der italienischen Zeichnungen will die Kunsthalle auch endlich die „Erfassung der Grafischen Sammlung im eigenen Hause vorantreiben“. So versprichts Rudolf Blaum, der Vorsitzende des Kunstvereins; bis die Zeichnungen deutscher und holländischer Künstler auf den neuesten Stand gebracht sind, wird es aber wohl noch dauern - hier sind die Bremer Bestände nämlich noch weit umfangreicher.

Thomas Wolff

Bis 10.4. in der Bremer Kunsthalle; der 216 Seiten starke Bildkatalog kostet 48 Mark