Holland als Autonomie-Beispiel

■ Der Amsterdamer Theo Liket über selbständige Schulen

„Wir haben in den Niederlanden ein total anderes Unterrichtssystem, das auch nicht direkt in die Hölle führt“, meinte der Bildungswissenschaftler Theo Liket von der Universität Amsterdam. Der Mann ist Reisender in Sachen „Autonmie der Schule“ und hatte im Oktober vergangenen Jahres vor skeptischen GEW-Mitgliedern in Bremen schon einmal über Freiheit, Verantwortung und freie Wahl bei Schulen und Universitäten referiert. Gestern nun hatte die FDP-Bürgerschaftsfraktion den niederländischen Wissenschaftler eingeladen, um zum gleichen Theam zu sprechen. Und siehe da: Likets Thesen stießen auf interessierte ZuhörerInnen.

Denn in den Niederlanden ist in puncto Schule alles anders: es herrscht absolut freie Schulwahl, 73 Prozent der SchülerInnen besuchen Privatschulen, private und staatliche Schulen werden voll vom Staat finanziert. Die einzelnen Schulen haben nach Likets Aussagen die Freiheit, sich bestimmte Profile zu geben und Lehrer in eigener Regie in gewissem Rahmen zu bezahlen, anzustellen und zu entlassen. Und noch etwas ist anders: „In den Niederlanden sind die Lehrer keine Beamten des Staates und die Schulen sind keine öffentlichen Anstalten wie zum Beispiel Gefängnisse.“ Die Schulaufsicht des Staates beschränkt sich darauf, die Hauptziele der Erziehung festzulegen, weitgefaßte Anforderungen an Planung und Prüfung zu überwachen und die Schulen extern zu bewerten. „Der Effekt ist, daß Schulen eigene Profile entwickeln“, so Liket, „und daß sie eine eigene Verwaltung aufbauen. Weiterhin bleibt allerdings Fachkompetenz bei den Lehrern das Wichtigste.“

Die Bremer ZuhörerInnen lauschten gespannt. Denn auch hier wird im Rahmen des neuen Schulgesetzes über das Thema „größere Autonomie der Schulen“ diskutiert. Schulen sollen demnach ihre Schulstruktur, Finanzen und Profilbildung weitgehend selbst betreiben und wirtschaftlich eigenständig arbeiten. All dies allerdings immer noch unter der schützenden Hand der Bildungsbehörde, heißt es von der Schulverwaltung. So weit wie in den Niederlanden soll in Bremen die Autonomie nie gehen.

Weniger staatlicher Zugriff heißt nicht sofort weniger Probleme, räumte der Theo Liket bei der Anhörung in der Bürgerschaft ein. So gebe es die Bestrebungen von reichen Eltern, ihre Kinder auf „weiße“ Schulen zu schicken, statt sie mit einer sozial gemischten Klasse zu konfrontieren. Und auch bei der Integration Behinderter gebe es in den niederländischen Schulen Probleme. Doch die Eigenständigkeit der Schulen wird nach Worten von Liket ohnehin kommen. „Die herkömmliche Schule gibt keine Antworten mehr auf wichtige gesellschaftliche Fragen. Wenn sich im Bildungssystem irgendwas ändert, dann in den Schulen selbst, in den Gemeinschaften mit Lehrern, Eltern und Behörden. Ohne größere Autonomie der Schulen wandern immer mehr Schüler in wirklich elitäre und privat finanzierte Schulen für die Reichen ab.“ beppo