Herbstzeitpointen

Alte Freunde & Gesichter: „Der Sohn des rosaroten Panthers“ von Blake Edwards will mit Klamauk doch nur Peter Sellers vergessen machen  ■ Von Harald Fricke

Ein wenig muß Blake Edwards den Faden verloren haben. Der achte Film in der 30 Jahre währenden Panther-Chronik ist sehr durcheinander und befremdlich, selbst die Erkennungsmelodie, diesmal von Bobby McFerrin gedoowopt, verpufft im Wirrwarr des mit sich selbst spielenden Jazz- Stimmwunders, und auch die Zeichentrickfiguren von Panther und Polizist stolpern einsam durch das realfilmische Intro oder fliegen verirrt in den Orchestergraben, als hätte sie der Computer ins falsche Malprogramm eingespeist.

Auch den Menschen im Film ist die Vergangenheit verlorengegangen: Das angekündigte „Treffen alter Freunde und Gesichter“ jedenfalls reicht kaum aus, um „die Tradition aufrechtzuhalten“, nach der sich Produzent Tony Adams zu Drehbeginn noch gesehnt hatte. Herbert Lom, der Immer-noch- Commissioner Dreyfus, scheint seine alten Animositäten nur mühsam aus dem Gedächtnis hervorkramen zu können und tappt entsprechend lustlos und ziemlich unwillig in genau die gleichen Fettnäpfchen, wie sie Peter Sellers als Inspektor Clouseau einst ausgelegt hat. Zur Belohnung darf er am Ende die von sanftem Altersgleichmut umwehte Claudia Cardinale ehelichen. Sie aber muß die Mutter des angeblichen Clouseau- Nachwuchses Jacques Gambrelli mimen, ohne zur richtigen Zeit im richtigen Film überhaupt mit Sellers intim geworden zu sein. Im Ur- Panther von 1964 galt sie noch als undurchschaubare Prinzessin Dala, jetzt hat man ihr als Gnadenbrot die Rolle und den Namen von Elke Sommer aus dem zweiten Teil aufgebrummt. Das erinnert an die Seelen- und Gesichterwandlungen, wie sie sonst etwa bei „Dallas“ oder dem „Denver-Clan“ gebräuchlich waren. Aber Freunde im Kino vergißt man eigentlich nicht so schnell.

Vor allem Peter Sellers, dessen universalkomische Art, sich zu bewegen, eher an Fragen der höheren Psychologie grenzte: Jeder Ausrutscher, jede Körperverrenkung eine tiefe Verbeugung vor den verschütteten Witzen des Unbewußten. Im Grunde war sein Humor überhaupt total sexbesessen – auch wenn die nervösen Gesten, die Hektik und das debil-verlegene Grinsen alles stille Liebeserklärungen an das Zu-früh-Kommen der Pointen waren, so wie er sich noch am Schluß von „The Pink Panther strikes again“ nach einem gekonnten Striptease urplötzlich im Bettlaken verhedderte.

Sein filmischer Nachwuchs überspringt diese Handlungen. Roberto Benigni als Clouseau- Sohn Jacques Gambrelli flutscht nicht unvermittelt in Situationen hinein, er schrammt bloß am Klamauk entlang. Wo Sellers im selbstverschuldeten Chaos fast seinen Körper zu verlassen schien, zappelt der italienische Komödiant aufgeregt hin und her, ohne seine wohlfeile Arm- und Bein- Motorik überwinden zu können. Für eine Slapsticknummer auf dem Fahrrad braucht er bald vier Anläufe, bis er endlich vom Sattel in den frischen Mörtel fällt, und selbst der finale Stich mit dem Säbel in die altbekannte falsche Öffnung zögert sich über unzählige frech- ermunternde Kameraeinstellungen hinaus. Da helfen auch keine pyrotechnischen Effekte oder Marx-Brothers-Samples mehr.

Trotzdem soll die edle Einfalt und stille Trotteligkeit, wie bei Sellers gehabt, auf gefährliche Tiefen schließen lassen. Aber Benigni darf statt fernöstlicher Balzgeräusche nur Byron-Gedichte rezitieren, bis die emanzipierte Scheichtumstochter (Debrah Farentino) ein Erbarmen mit dem romantischen Quälgeist hat und es auf der gemeinsamen Gefängnispritsche halb betäubt hinter sich bringt. Das ist nicht lustig, sondern sehr traurig. Allein die Story ist halbwegs die alte geblieben: Entführung, Weltverschwörung, Knochenbrüche, Zufallsmorde, und am Ende liegen eine ganze Menge Studiokulissen in Schutt und Asche.

„Der Sohn des rosaroten Panthers.“ Regie: Blake Edwards. Mit: Herbert Lom, Claudia Cardinale, Roberto Benigni u.a., USA 1993.