Dutzende von Toten in Ruandas Hauptstadt

■ Einsetzung der Übergangsverwaltung wieder verschoben / Angst vor Bürgerkrieg

Kigali/Berlin (AFP/IPS/taz) – Die Umsetzung des Friedensabkommens für Ruanda vom August letzten Jahres ist in der Nacht zum Mittwoch von schweren Kämpfen in der Hauptstadt Kigali in Frage gestellt worden. Nachdem bewaffnete Jugendliche bereits seit einiger Zeit mit nächtlichen Überfällen die Bewohner der Vororte terrorisieren, kam es jetzt zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi, die mindestens 37 Tote forderten. Augenzeugenberichten zufolge waren auch Kämpfer der Rebellenorganisation Patriotische Front (FPR) beteiligt, die der Minderheit der Tutsi angehören.

Die von den Hutus dominierte Regierung und das Parlament sollten nach dem Friedensabkommen um Vertreter der FPR erweitert werden. Die Einsetzung dieser Übergangsverwaltung war bereits dreimal verschoben worden. Im staatlichen Rundfunk hieß es gestern zwar noch, die Vereidigung des erweiterten Parlaments und der Übergangsregierung solle noch im Laufe des Tages stattfinden, doch dann wurde der Akt erneut auf unbestimmte Zeit vertagt, weil mehrere Parteien nicht zu der Zeremonie erschienen waren.

Den jüngsten Kämpfen waren zwei politische Morde vorausgegangen: Am Montag war der Minister für Bauwesen und Energie, Felicien Gatabazi, erschossen worden. Er war ein führender Politiker der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei (PSD) und gehörte den Hutu an, die im Süden des Landes leben, während die Führung des Landes von Hutu aus dem Norden dominiert wird. Offenbar aus Vergeltung für den Mord wurde am Dienstag der Vorsitzende der Ruandischen Koalition zur Verteidigung der Republik (CDR), der Hutu-Politiker Martin Bucyana, von einer aufgebrachten Menge gelyncht.

Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) warnte unterdessen vor einem neuen Blutbad in Ruanda. Der UNHCR-Beauftragte für Burundi und Ruanda, Michel Moussali, sagte gestern in der tansanischen Hauptstadt Daressalam, zahlreiche Ruander seien bereits wieder auf der Flucht.

Angesichts aufkeimender Hoffnungen auf eine Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse waren noch vor kurzem über 2.200 Flüchtlinge aus Uganda spontan in ihre Heimat zurückgekehrt, ohne auf eine Vereinbarung über eine organisierte Rückführung zu warten. Damit dürfte es nun vorbei sein. Gegenüber der britischen Rundfunkanstalt BBC berichtete ein Augenzeuge gestern: „Alle hier bereiten sich auf den Bürgerkrieg vor. Jeder versucht, einen sicheren Zufluchtsort für seine Kinder zu finden und sich eine Waffe zur Selbstverteidigung zu besorgen.“ bs