Schaumschläger am Werk

■ Für Shampoo-Käufer zählt vor allem Duft und ein „stabiler “ Schaum / ÖKO-TEST rät, lieber auf krebsverdächtige Beimischungen zu achten

99 Prozent der Deutschen benutzen Haarshampoos und haben sie inzwischen zu einem der meistverkauften Kosmetika gemacht. Die treuesten Kunden sind – Männer. Sie stellen zwei Drittel derjenigen Reinlichkeitsfanatiker dar, die sich mindestens einmal am Tag die Haare waschen. Frauen, sonst bei der Körperpflege vorn, fürchten um ihre teuren Dauerwellen und Färbungen. Schon zu Zeiten des Biedermeier waren sie vorsichtig. 1869 hieß es in einem Ratgeber: „Das weibliche Geschlecht hat überhaupt eine große große Scheu vor Nässe der langen Haare, weil sie nicht so leicht wieder zu trocknen sind.“

Was sie sich da in die Haare schmieren, wissen allerdings weder Männer noch Frauen so ganz genau. ÖKO-TEST hat 71 Shampoos für Kinder und Erwachsene untersuchen lassen. Nur 20 sind empfehlenswert. 16 enthalten das krebsverdächtige Formaldehyd. In 19 finden sich halogenorganische Verbindungen. Sie stammen häufig aus Stoffen, die ebenfalls eingesetzt werden, um das Shampoo haltbar zu machen. Viele halogen-organische Verbindungen gelten als allergieauslösend. Andere können möglicherweise das Erbgut verändern.

29 der untersuchten Shampoos wurden mit künstlichem Moschusduft parfümiert, acht sogar mit Nitromoschus-Xylol. Diese Variante kann Krebs auslösen. Der Verband der Kosmetikfirmen reagierte bereits im vergangenen Jahr und empfahl seinen Mitgliedern, diesen Stoff aus den Rezepturen zu nehmen. Doch auch die Harmlosigkeit der anderen Verbindungen ist nicht erwiesen. Das Lebensmitteluntersuchungsamt des Landes Schleswig-Holstein forderte dringend, künstliches Moschus-Parfüm in Kosmetika zu verbieten, nachdem es Nitromoschus-Verbindungen in Muttermilch wiedergefunden hatte.

Eine Reihe von Firmen hat diese bedenklichen Stoffe nach eigenen Angaben inzwischen aus ihren Produkten herausgenommen, andere hingegen lassen sich Zeit. „Die Umstellung geht nicht von heute auf morgen“, sagt Lutgart Dannheim von der Firma Kunze, die ausgerechnet das viel Natur verheißende „Neobio Vitamin Kräuter Shampoo“ mit Nitromoschus-Xylol anreichert.

Die Hersteller geben sich zudem viel Mühe, ihre Kreationen edel zu gestalten. Zusatzstoffe sorgen zum Beispiel für Perlglanz. Das soll „hohe Produktqualität suggerieren“, plaudert Karin Zindel, Marketingexpertin und Fachautorin in Sachen Schönheit, einen Trick der Branche aus.

Noch wichtiger als Duft und Aussehen ist jedoch der Schaum. Die Verbraucherinnen und Verbraucher glauben fest an ihn. Als Versuchspersonen zwei gleich wirksame Shampoos vergleichen sollten, bescheinigten sie dem einen, es reinige besser. Tatsächlich schäumte es nur stärker. Die Forscher der Industrie widmen den Luftblasen deshalb viel Mühe und messen sie nach DIN 53902 oder auch der „Schlagschaummethode“. „Ein stabiler, feinporiger, sahniger Schaum gilt als optimal“, referiert Schwarzkopf-Experte Winfried Seidel.

Der Erfolg eines Shampoos hat wenig mit seinem wirklichen Nutzen zu tun. Clarence Robbins, Forscher bei Colgate-Palmolive, faßt in seiner wissenschaftlichen Monographie zusammen: Shampoos verkaufen sich eher dank „der Art der Werbung als wegen tatsächlicher Unterschiede beim Nutzen fürs Haar“.

Jochen Paulus