Keine Gnade für den Nager

■ Die „Bremische Bisamverordnung“ rückt den 200.000 Tieren im Land auf den Pelz

Er hat einen natürlichen Feind, das ist der Fuchs. Und er hat einen Feind von Amts wegen, das ist Ralf Fücks. Die Rede ist von Ondrata zibethicus, im Volksmund auch Bisamratte genannt. „Bisamratte ist zoologisch nicht korrekt, das Tier heißt Bisam und gehört zur Familie der Wühlmäuse“, klärte der grüne Umweltsenator gestern eine staunende Bürgerschaft auf. Fücks erläuterte auf Anfrage der FDP-Fraktion die Einzelheiten der neuen „Bremischen Bisamverordnung“, mit der den Tieren im großen Maßstab das Fell über die Ohren gezogen werden soll.

Der Bisam ist selber schuld, daß sich die Behörden mit ihm beschäftigen. Denn erstens gehört er eigentlich gar nicht hierher und zweitens unterwühlt er Dämme und Deiche. Eingeführt wurde das kaninchengroße Tier mit dem 20 Zentimeter langen nackten Schwanz Anfang des Jahrhunderts aus den USA und Kanada. In den fünfziger Jahren wurde der Bisam zum ersten Mal in Bremen gesichtet und lebt hier inzwischen in seinem „Dorado“ von Flüssen und Deichen mit insgesamt etwa 200.000 Artgenossen allein in Bremen, schätzt Michael Werbeck, Leiter der Abteilung Natur- Landschafts- und Pflanzenschutz beim Umweltsenator. Mit Vorliebe gräbt der Bisam seinen Bau in Deiche und Dämme, hölt sie so aus und läßt sie brechen. „Das hat schon Millionenschäden gegeben, wenn Deiche brechen“, sagt Werbeck.

Und da kennen die BremerInnen nichts: Wer hierherkommt, nur um Wühlarbeit zu leisten und dann nicht mal hier „heimisch“ ist, der wird gejagt. „Es sind Lebewesen, für die der Respekt vor allem Lebendigen gilt“, meint der Werbeck. „Aber es würde auch nicht schaden, wenn der Bisam ausgerottet würde, denn er gehört ja nicht in die Nahrungskette.“ Mit 11.314 erlegten Tieren im Jahr 1990 führt Bremen bundesweit die Liste der Länder bei der Bisamjagd an, verkündete stolz Umweltsenator Fücks. Doch die Bisame werden immer mehr. Das Nagetier, das sich als „Feinschmecker“ über die Uferböschung hermacht, wird in Deutschland nicht unter dem Gesichtspunkt Naturschutz geführt, weil es ja hier nicht zuhause ist. Bisamschicksal: in Deutschland gilt er als Schädling. „Bisame sind etwa so geschützt wie Insekten“, meint Michael Werbeck. „Die leben im Hollerland und im Blockland in jedem Graben. Wer ein Auge dafür hat, sieht sie überall.“

Für die Jagd auf den Bisam gab es in der Umweltbehörde zwischen 1980 und 1986 sogar eine richtige feste Stelle: Den behördlichen Bisamjäger, der den Tieren mit Unterwasserfallen auf ihren wertvollen Pelz rückte. Denn für den Pelz bekamen die Jäger von Pelzhändlern zwischen zwei und fünf Mark (“Der einzige ökologisch vertretbare Pelzmantel“, meint Werbeck, eine Art Öko-Nerz), für die Schwanzspitze als Tötungsbeweis gab es nochmal vier Mark von der Behörde. Von 1986 bis Ende 1993 war die Bisamjagd ein freies Geschäft: der ehemalige Behördentrapper und bis zu 18 Kollegen durchstreiften die Flüsse und Auen um Bremen auf der Bisampirsch und der Umweltsenator zahlte ihnen im Jahr knapp 40.000 Mark.

Damit ist nun Schluß, denn der ausgediente Bisamfänger kann nicht mehr jagen und Bremen muß an allen Schwanzenden sparen. Die „Bremische Bisamverordnung“ erlegt daher allen Eigentümern von Ufergrundstücken auf, selbst für die Bekämpfung des „im trockenen Zustandes recht niedlichen Tierchens“ (Werbeck) zu sorgen. Uferböschungen werden mit Betonplatten gegen die Nagezähne gesichert, wer nicht selbst zum Fallensteller wird, muß einen Kammerjäger holen. Bernhard Pötter