Langeweile, leicht gemacht

■ Leider nur von abzuraten: Ein Berlin-Handbuch für Kinder

Stadturlaube sind für Kinder purer Terror. Im Schlepptau der Eltern trottet man für gewöhnlich gelangweilt den Erwachsenen hinterher, bleibt an den uninteressantesten Stellen stehen und versucht die Ohren zuzuklappen, derweil meist der Vater in endlosen Monologen die Geschichtsträchtigkeit des besichtigten Ortes mit Zahlenkolonnen garniert. Ein neuer Berlinführer speziell für Kinder könnte also eine echte Marktlücke füllen. Denkt man.

„Ich und Berlin“ ist zwar im lockeren du verfaßt, rattert jedoch genauso mühelos wie seine „erwachsenen“ Vorbilder die bekanntesten Sightseeing-Routen herunter: Unter den Linden, Brandenburger Tor, ein bißchen Saurier, Müggelsee. „Du fährst mit der S-Bahn bis Friedrichshagen. Der S-Bahnhof gehört übrigens zu den ältesten und ansehenswertesten Berlins. Du verläßt den Bahnhof, gehst rechts und bist auf der Bölschestraße. Und auf dieser Straße läufst du 20 Minuten (!) immer geradeaus. Du kommst an vielen Geschäften vorbei.“ Selbst Orte, die vielleicht dem Namen nach etwas interessanter erscheinen, werden der gewohnten Langweile anheim gegeben. Zum Beispiel der Teufelssee: „Der Weg führt durch schattigen Wald. Der Teufelssee selbst ist ein sagenumworbenes (sic!) Gewässer. Bis heute erzählt man sich, daß sich auf seinem Grund eine vor vielen, vielen Jahren versunkene Burg befinde. Du kannst dir am Ufer des Teufelssees eine gruselige Geschichte alleine ausdenken“. Du liebe Güte.

Zugegeben, nicht alle Orte sind mit solcher Tristesse geschildert. Eine vernünftige Ausnahme machen beispielsweise die Tour Prenzlauer Berg oder die Beschreibung des Brecht-Hauses. Die politische Geschichte Berlins kommt insgesamt nicht zu kurz, bleibt jedoch im unentschlossenen Gesamtkonzept des Buches hängen. Welche Altersgruppe soll, um Himmels willen, dieses Werk nach Berlin locken? Zwölf- bis Vierzehnjährige dürften angesichts der Bebilderung, die dem Vorschulalter angemessen ist, zurückschrecken. „Es gibt Tage, da hat man keine rechte Lust, sich zu bewegen. Aber wenn man schon einmal in Berlin ist, möchte man natürlich möglichst viel sehen. Schon, um zu Hause darüber berichten zu können! Ein Bummel zum Gendarmenmarkt bietet sich an. Dann, wenn man vormittags zum Shopping war.“ Das klingt nach Tips für kleine Erwachsene, deren Eltern noch vom Matrosenanzug träumen. Normale Kids träumen eher von der Nachmittagsdisco.

Legasthenie-gefährdeten Kindern sei dieses Buch nicht empfohlen, es ist schlampig und mit vielen Fehlern redigiert. Verfasserin dieses Werks ist Frau Professor Ursula Drews. Zur Strafe sollte sie mit einer Horde Kinder und diesem Führer zwei Tage durch Berlin gehen. Als eine Art Sightseeing- Rosenkranz. Caroline Roeder

Ich und Berlin. Ein Berlinführer für Kids. Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung, 96 S. 14,80 DM