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Sozialstation für Fußballfans

■ „Fanladen Anstoß“ e.V. kämpft gegen Rechtsextreme in den Stadien / Finanzprobleme gefährden den Verein

Die Wimpel berühmter Fußballclubs zieren die Wände. Auf dem Holztisch, der ohne Probleme 20 Personen Platz bietet, haben sich Fans aus dem ganzen Bundesgebiet verewigt. „Hier kann man sich treffen und quatschen, ohne sich gleich die Fresse einzuhauen“, erzählt Eddy* vom „Fanladen Anstoß“ e.V. mit einer Flasche Malzbier in der Hand. So wie sich bei „Anstoß“ Fans verschiedener Berliner Klubs treffen, so sind auch die Anhänger auswärtiger Vereine gern gesehene Gäste.

„Vor kurzem hatten wir Fans von 1860 München hier. Die konnten sich nach dem Spiel ihrer Mannschaft gegen Hertha bei uns ausruhen, dann haben wir einigen Löwen-Fans sogar noch billige Nachtquartiere vermittelt“, beschreibt Eddy die freundliche Atmosphäre. Das ist allerdings keine Selbstverständlichkeit. Denn gerade bei Hertha-Spielen hätten auswärtige Fußballfreunde Probleme mit Skinheads. „Die Glatzen stehen am Bierstand vor dem Stadion und pöbeln die Leute an, deshalb sind viele Fans froh, wenn sie nach den Spielen zu uns kommen können“, sagt Monika*. Sie meint, daß der Fanladen Anstoß längst zu einer „Sozialstation für Fußballfans“ geworden sei.

Vor über drei Jahren entstand die Initiative. Seitdem tritt der Verein gegen Ausländerfeindlichkeit und für eine Fan-Politik „von unten“ ein. Wie notwendig dieses Engagement ist, erlebten die Sportfreunde vor kurzem wieder beim Pokalspiel FC Berlin gegen Türkiyemspor. Etwa 100 Neonazis waren angereist und beschimpften die Anhänger der türkischen Mannschaft. Kurz vor der drohenden Eskalation hätte die Polizei die Angelegenheit bereinigt, erzählt Friedel*, Anhänger von Türkiyemspor. Was ihn am meisten empört: „Die Typen vom Vorstand saßen auf der Tribüne und haben sich nicht gerührt, es gab nicht mal eine Stadiondurchsage.“ In England wäre so etwas nicht möglich, dort sei rassistisches Verhalten gebrandmarkt, Ausländerfeinde kämen gar nicht erst ins Stadion.

Solche Maßnahmen empfiehlt der Fanladen auch Berliner Vereinen, was nicht einzigartig in der Bundesrepublik wäre. Mittlerweise ist es auch in Berlin verboten, die Reichskriegsflagge zu zeigen. Dennoch könne man bei Hertha-Spielen alles kaufen, was das rechtsradikale Herz begehre, versichern die Leute vom Fanladen. „Bei Hertha und Union Berlin ist es momentan besonders schlimm. Wie schon Anfang der achtziger Jahre werben rechtsextreme Organisationen bei Fußballfans um Symphatie“, erzählt Eddy.

Die Zuversicht, wie in den letzten Jahren gegen diese Zustände anzugehen, ist im Fanladen etwas gewichen. Denn der Verein mit seinen über 100 Mitgliedern schwebt in argen Finanznöten. „Der Kampf um die Kohle bindet alle Energien“, weist Monika darauf hin, daß die Fan-Arbeit momentan etwas zu kurz kommt. Ohne Spenden kann der Fanladen die laufenden Kosten bald nicht mehr aufbringen. Das ruft eine gewisse Bitterkeit hervor, zumal, wenn die Faninitiative sieht, wie man andernorts gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt im Sport vorgeht. Jörg*, mit einem Fan- Schal des Eishockey-Clubs „Eisbären“ um den Hals, hält einen Luftballon hoch, den die Polizei vor einem Eishockey-Spiel verteilte: „Hauen ist doof“ steht darauf geschrieben. Dieser Spruch umrahmt eine Witzfigur, die das Symbol der Polizei für die Aktion „Jugend mit Zukunft“ ist. „Als könnte man mit so einem Mist abgefeimte Neonazis von ihren Gewalttaten abhalten“, regt sich Jörg auf. Thomas Nagel

Der „Fanladen Anstoß“ in der Brunnenstraße 6 ist mittwochs (ab 16 Uhr), freitags (ab 19 Uhr) und samstags (ab 17 Uhr) geöffnet. Spenden können auf das Konto 142 014 5807 bei der Sparkasse Berlin, BLZ 100 50 000, überwiesen werden.

* Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

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