■ Mit der Flexibilität auf du und du
: Falsche Zahlen

Düsseldorf (taz) – Die Debatte über den Industriestandort Deutschland wird mit falschen Zahlen geführt. Während die Bundesregierung darüber lamentiert, daß im verarbeitenden Gewerbe die durchschnittliche Betriebszeit bei 53 Wochenstunden liege, laufen die Maschinen tatsächlich 73 Stunden in der Woche. Damit belegt die Bundesrepublik „eine Spitzenposition“ in der EU, so Professor Gerhard Bosch, Mitarbeiter des Instituts für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen.

Bosch wirft der Bundesregierung vor, daß sie sich auf eine EG-Studie aus dem Jahr 1989 berufe, die wegen einer „methodischen Sonderbehandlung“ die bundesdeutsche Wirklichkeit „grob verzerrt“. Unbegründet sei auch die Klage über die mangelnde Flexibilität des deutschen Tarifsystems. Die Unternehmen haben auf die Arbeitszeitverkürzung mit längeren Maschinenlaufzeiten reagiert. Während die tariflichen Arbeitszeiten zwischen 1984 und 1990 um 6 Prozent sanken, stieg die durchschnittliche Betriebszeit um 12 Prozent.

Daß die gegenwärtige Gesetzeslage einer Entkopplung der Arbeits- und Betriebszeiten nicht im Wege steht, ergibt sich auch im internationalen Vergleich: Mit 5.220 Stunden Betriebszeit pro Jahr belegte das Bochumer Opelwerk 1990 den dritten Platz von insgesamt 28 Unternehmen. Der erste von fünf japanischen Herstellern lag mit 4.946 Jahresstunden auf Platz sieben. Individuell arbeiten die japanischen Automobilwerker zwar mit rund 2.360 Arbeitsstunden pro Jahr länger als ihre deutschen Kollegen mit 1.650 Jahresstunden. Aber die tariflichen Arbeitszeiten liegen nur 200 Stunden auseinander. Der Rest sind Überstunden, die leicht abgebaut werden können. Dieser „wichtigste Konkurrenzvorteil“ der Japaner (Bosch) könne aber durch Kurzarbeit und Arbeitszeitverkürzung wie bei VW ausgeglichen werden. Walter Jakobs