Die Bevölkerung Somalias ist kriegsmüde. Wenige Wochen vor Abschluß des Abzugs westlicher UNO-Truppen hofft sie nun auf bereits begonnene Geheimverhandlungen zwischen den Kriegsfürsten. Aus Mogadischu Bettina Gaus

Kompromiß oder Krieg

Die Straßen der Innenstadt von Mogadischu, vorbei am alten Parlamentsgebäude und durch die Ruinenfelder der ehemaligen Geschäftsviertel, sind fast menschenleer. Der Fahrer gibt Gas, das Niemandsland zwischen dem Süden der Stadt, Territorium des Kriegsfürsten Farrah Aidid, und dem seines Rivalen Ali Mahdi beherrschten Norden gilt nach wie vor als Hochburg scharf schießender Banditen. Ein Sprecher der Unosom, der UN-Operation in Somalia, hat Journalisten davor gewarnt, sich allein in der Stadt zu bewegen. Man befürchtet Entführungen, mit denen Lösegeld erpreßt werden soll. Vor einem Gang über den Bakara-Markt, dem größten Umschlagplatz Mogadischus, warnen auch die meisten somalischen Fahrer, für Ausländer sei die Gegend zu gefährlich.

„Mit uns kannst Du gehen“, versichert dagegen unser Fahrer Ali selbstbewußt. „Wir sind die Miliz. Uns wagt keiner anzugreifen. Und jeder kennt uns.“ An einem der Marktstände auf der als unsicher geltenden Afgoi-Straße gibt er ein Gewehr zur Aufbewahrung ab. Ali hat im Bürgerkrieg auf Seiten Aidids gekämpft: „Täglich drei Stunden am Tag. Nachts haben wir mit denen von der anderen Seite Khat geraucht und am anderen Tag wieder geschossen. Das war eben unser Job. Wir waren wie Söldner.“ Feindselige Gefühle hegt er nicht: „Ich bin vom Clan der Habr Gedir. Mein Freund hier“, er deutet auf einen anderen jungen Mann mit Gewehr, „gehört zu den Murusadeh. Die Miliz hat kein Problem, nur die Politiker sind zerstritten.“

Jetzt mag Ali nicht mehr kämpfen: „Wir haben mit Milizen von der anderen Seite ein Abkommen geschlossen, daß wir alle Politiker umbringen, wenn sie wieder mit dem Krieg anfangen.“ Aber die Kriegsfürsten werden doch gewiß auch noch über loyale Streitkräfte verfügen? Ali zuckt die Schultern: „Dann kämpfen wir eben gegen die.“ Die Ältesten verschiedener rivalisierender Clans in Mogadischu versuchen auf andere Weise den Krieg zu beenden. Sie haben ein Friedensabkommen geschlossen, das auch eine allgemeine Entwaffnung vorsieht. Aber ob sich die Milizenchefs davon werden beeindrucken lassen?

Farrah Aidid ist weltweit der bekannteste Kriegsfürst Somalias, seit es ihm gelungen ist, UNO und USA in die Knie zu zwingen und vom gejagten Verbrecher zum Verhandlungspartner aufzusteigen. Seit Wochen hält er sich in Kenias Hauptstadt Nairobi auf, wo er am Mittwoch erstmals seit Monaten an die Öffentlichkeit trat und eine Pressekonferenz gab. An seiner Absicht, das nächste Staatsoberhaupt Somalias zu werden, läßt er keinen Zweifel. Aber in Mogadischu wächst unterdessen die Kritik an Aidid auch in den eigenen Reihen: „Ich war immer gegen ihn. Er hat dem eigenen Clan geschadet, indem er unnötige Kriege geführt hat, die sich durch Dialog hätten vermeiden lassen“, meint Abdi Iidle Shuriye, wie Aidid ein Habr Gedir. „Früher haben mich die Leute für einen Verräter gehalten. Jetzt sagen immer mehr, daß ich recht hatte.“

Die Bevölkerung ist kriegsmüde. „Die Leute haben den Tod satt. Sie haben Freunde verloren, sie sehen, wie viele Krüppel herumlaufen“, sagt Omar Mohallim. Er sitzt in geliehenen Kleidern in einem Hotel im Norden Mogadischus. Eigene hat er nicht mehr; er gehört zu jenen 5.000 Zivilisten vom Clan der Ogadeni, die vor wenigen Tagen aus der südsomalischen Hafenstadt Kismayo flüchten und all ihre Habe zurücklassen mußten – vertrieben von Kämpfern des als General Morgan bekannten Schwiegersohns des Ex- Präsidenten Siad Barre.

Jetzt wartet Omar Mohallim darauf, zu Geheimverhandlungen mit General Morgan und Colonel Ahmed Hashi, dem Stellvertreter von Morgans schärfstem Feind Omar Jeess, abgeholt zu werden. Der Ex-Vizepräsident im Kabinett Ali Mahdis ist daran gewöhnt, zwischen alle Fronten zu geraten. Unter Siad Barre war er sechs Jahre inhaftiert. Heute ist er ebenso Gegner seines Cousins Omar Jeess wie der General Morgans: „Die Milizenchefs wollen die Kontrolle über Kismayo nur gewinnen, um zum Machtzentrum Mogadischu vorzudringen. Beide sind daran interessiert, daß der Krieg weitergeht. Sie gewinnen nichts durch Frieden.“

Dennoch hofft der Siebzigjährige, daß bei den Gesprächen ein Kompromiß herauskommt: „Die Alternative wäre undenkbar: der totale Bürgerkrieg.“ Unosom hat die Kismayo-Verhandlungen organisiert, die nach Angaben vom Wochenende bisher ergebnislos verlaufen sind. Für die UN-Operation hat Omar Mohallim nur Verachtung: „Sie sind in Kismayo, aber sie könnten ebensogut im Weltraum sitzen. Unosom hätte den Ältesten helfen können, indem sie Arbeitsplätze schaffen. Damit sie den Leuten was anzubieten gehabt hätten. Aber Unosom hat gar nichts getan. In zwei Jahren ziehen sie ab, und sie werden nichts begriffen haben.“