■ Neue Platten
: Fliegende Schädel

DUB ME RUFF - SPIN IT

(Buback/Indigo)

Wer Massive bisher für Autisten hielt, die in ihrem Kämmerlein an einem völlig originären Sound bastelten, der kam noch nie mit Dub in Berührung. Was bei Massive die Form war, in die sie ihren Soul gossen, treibt jetzt auch in Hamburg Blüten. Verschwitzte Dancehall-Atmosphäre bei diversen Dub-Soundsystems und jetzt die erste Hamburger Platte zum Thema. Doch Dub Me Ruff beackern nicht den heimischen Garten, denn Daniele Mommertz und Markus Grapmeyer waren zuvor Gitarre und Gesang bei der Hardcore-Formation Arm. Beide hatten mit Dub ihre Initialisierung und als Zeichen des Gesinnungswandels wurde die Gitarre weitgehend gegen den Bass getauscht und Soul fand den Weg in Danielle Mommertz' Stimme. Ihre Vergangenheit haben sie bis auf „Sexism“, eine Reminiszenz an alte Tage, weitgehend abgelegt. Doch woran sich halten im Black-Music-Universum? Welches Tempo ist das richtige? Noch ist die Vielfalt auf Spin It ein tastendes Suchen. Wie bei vielen deutschen Produktionen stehen und fallen die Stücke mit der Stimme. Läßt Danielle Mommertz auf „Soul“ noch hölzern ihre Tanzboden-Initialisierung Revue passieren, so kann sie mit locker rollendem Sprechgesang auf „Come together“ überzeugen. Mit „Come together“ nimmt sie die Verlogenheit der gespielten Einigkeit aufs Korn, die in einschlägigen Werbekampagnen „das selbe alte Spiel des grinsenden Ausländers ohne Hirn“ rassistisch wiederholt. Der „No Peace Dub“ verweist dann ganz deutlich auf Massive und Dub und zeigt, wie eindringlich die Grenzgänger mit Langsamkeit und Hallboxen sein können. Volker Marquardt

FLUGSCHÄDEL (DDR/EfA) Wenn Beavis & Butthead, deskriptiv-tragische Karikatur und hoffnungsvolle Katharsis aktueller Jugendkultur Musik bewerten, so geschieht das mit dem bekannten Schwarz-Weiß-Muster. Als positiv gelten einzig Attribute, die wenig mit musikalischem Können, inspiriertem Spiel oder reifem Liedgut zu tun haben, sondern aus dem Bereich der Technik stammen: Kraft, Druck, Beat (Schlag), Wucht. Musik wird nach ihrer Effektivität eingestuft, Effekte werden zusammengesetzt, der Rest ist Produktion. Diesem hier ohne Kulturpessimismus umrissenen Prinzip haben sich Flugschädel bewußt voll und ganz verschrieben. Sogar einen Schritt darüber hinaus: kein Ton ihrer aus drei Elementen (geile Riffs, geile Beats, geiles Gesabbel) konsistirenden LP ist „handgespielt“ (pardon, einiges ist mundgesprochen). Die Collage, die die drei jungen Künstler, das Wort „Selecter“ drängt sich eher auf, aus dem für gut und geeignet erachteten Fundus des Vorhandenen schichten, ist bestens gelungen, was aber gerade nicht in Effekten, die präziser den Punkt treffen (Oh Technik!) als bespielsweise Ministry, liegt, sondern in der darüber hinausgewachsenen Verspieltheit. So steht Flugschädel mit zarter Ironie als kleiner Spielverderber gegen alle musikalischen Machtanmaßungen und kann gerade deshalb ernst genommen werden.

Holger in't Veld