Mana, des Menschen Kraft, wohnt im Haar

■ Das Kopftuch in der Geschichte und der Region: Eine Ausstellung im Rathaus Stuhr

An welches Kopftuch denken Sie spontan? An das Wollene, Seidene, das dicke Palästinenser als Kälteschutz, das orangefarbene Verkehrssignal für Kinder, das Sonntagsstück für den Kirchgang, den Brautschleier oder gar an das krönende Chiffon-Accessoire am Haupte der Queen? Mit ein bißchen Starthilfe kann diese Liste problemlos fortgeführt werden, nicht wahr? Denn plötzlich wird uns klar, daß wir alle mit ihm zu tun haben. Steht doch das Kopftuch weltweit für ein nicht unerhebliches Stück Alltagsgeschichte. Überall trat es irgendwann mal auf. Spinnen wir den Faden weiter, fällt uns ein, daß das Kopftuch nicht nur schmückendes oder schützendes Beiwerk, sondern seit Jahrtausenden Anlaß für Ge- und Verbote, Diskriminierungen, sexuelle Männerphantasien, Unterdrückung und Widerstand von Frauen war und ist.

Das Kopftuch – Ein Stückchen Stoff in Geschichte und Gegenwart heißt eine Ausstellung, die Annegret Merke (die Frauenbeauftragte von Stuhr), das Stuhrer Frauenforum und die Volkshochschule Steckenhausen zur Zeit im Rathaus Stuhr präsentieren. Sie widmet sich vor allem den Kopftuchkulturen türkischer und deutscher Frauen. Die Nürnbergerinnen Meral Ackent, Elisabeth Bala, Gabi Franger und Marie Lorbeer stellten sie vor acht Jahren zusammen, und seither tourt die Schau zweisprachig mit viel Beachtung durch Deutschland und deutschsprachige Länder.

Fotos, Zitate und viele, viele Belegexemplare verfolgen in der Ausstellung den Weg des deutschen, österreichischen und türkischen Kopftuches durch die Jahrhunderte, den Wandel seiner Funktion, seiner Gestaltung, seiner Bedeutung auch für die es tragenden Frauen selbst. Meist war es den Jungfrauen vorbehalten, ihr Haar nicht zu bedecken, berichten die historischen Texte, ging doch die Angst um, daß „die im Weibe wohnende Kraft durch das Auflösen des Haares frei würde“. Heirateten die Frauen, so wurden sie durch Religion, Tradition und ihre Ehemänner der Verhüllung verpflichtet. Viele Parallelen ziehen sich da durch christliche wie islamische Kulturen: Zu den Frauen aus dem kurdischen Dorf Sisin gesellt sich die Bäuerin Oberndorfer aus dem Weißenburger Land.

„Auch in Stuhr leben Frauen, die Kopftücher tragen“, sagt Annegret Merke. Rund 500 ausländische Bürgerinnen sind im letzten Jahr in der Gemeinde gezählt worden – einige haben das Tuch aus ihrer Heimat mitgebracht, wenige tragen es noch in der Öffentlichkeit. Doch nicht nur ihnen wird im Rathaus Stuhr ein Augenmerk gewidmet. Die Ausstellungsmacherinnen riefen alle Stuhrerinnen auf, in den eigenen Truhen zu kramen. Großmütter, Mütter und Töchter brachten stolz ihre Erb- und Lieblingsstücke vorbei. Kopftücher sind zwar keine darunter (nur selten wurden sie aufgehoben), dafür aber attraktive und ungewöhnliche Hauben, Kappen und Hüte. Die Leihgabe von Frau Beermann etwa, eine schwarze Kappe aus Roßhaar gewirkt, mit Spadre unterfüttert, um die Jahrhundertwende getragen. Oder der blau-weißen Baumwoll-Flunkhoot, den die Bäuerinnen der Region Mitte des 20. Jahrhunderts mit aufs Feld genommen haben.

Verbindendes also strebt Das Kopftuch an: mehr Verständnis zwischen den sich vermeintlich fremden Kulturen und auch zwischen den Alten und Jungen. Mit Begleitaktionen zur Ausstellung führen die Stuhrer Frauen diese Idee noch fort: Mitarbeiterin Anne Kahle-Greffrath reist mit einer Dorf-Dia-Serie durch die Altenbegegnungsstätten und in den Schulen werden zur Zeit wilde Hut-Gebilde gebastelt. Silvia Plahl

Die Ausstellung im Rathaus Stuhr läuft bis 18. März.

Im ergänzenden Rahmenprogramm finden noch statt:

Do., 3.3., 19.30 Uhr, „Dat Leben, de Koppdöker und dat Danzen von de Froonslüd in Stuhr um umto“, Volkstänze in Trachten der Region. Ratssaal. Anschließend Lesung über ländliches Frauenleben in Stuhr/ Weyhe mit Gaby Ullrich.

So., 6.3., 11 Uhr, Frauenfrühstück im Ratssaal. Vorbereitung zum Frauentag am 8. März!

Mi., 9.3., 16.30 - 19 Uhr, „Bindungen, Szenisches Spiel“ mit Tücher, Körpern, Stimmen. Anmeldung sind unter Tel. 56 95-231 erbeten

Mo., 14.3., 19.30 Uhr, „Wer hat die Hosen an?“ Dia-Serie von Cellie Rentmeister, Raum 146 im Rathaus.

Führungsanmeldungen ebenfalls unter Tel. 56 95 231