Europaschulen im Kriechgang

Mit Gemach verfolgt der Senat sein Ziel, zweisprachige Schulen einzurichten / Spanisch kommt, Türkisch und Portugiesisch müssen warten  ■ Von Miriam Hoffmeyer

Nie hatte Sabina Hamm das Gefühl, auf der richtigen Schule zu sein. In Portugal, der Heimat ihrer Mutter, kam Deutsch zu kurz. In Deutschland ihre Muttersprache. Weil das „immer sehr schwierig“ für sie war, weiß sie aus Erfahrung, „warum ich mich für eine deutsch- portugiesische Europaschule engagiere“.

Europaschulen gibt es in Berlin seit 1992. Das Pilotprojekt startete mit Grundschulen, in denen zweisprachig unterrichtet wird: in den Klassen spricht die Hälfte der Schüler Deutsch, die andere Hälfte eine andere Muttersprache. Ebenso ist es bei den Lehrern: Die Muttersprachen Deutsch und Englisch, Französisch oder Russisch stehen im Verhältnis halbe-halbe. Beide Sprachen sollen als gleichwertig vermittelt werden, auch wenn das Deutsche als die Sprache der Lebenswelt automatisch einen gewissen Vorrang hat. Bislang stehen Europaschulen nur für die Sprachen der ehemaligen Besatzungsmächte zur Auswahl: Englisch, Französisch und Russisch. Ab dem nächsten Schuljahr soll eine spanisch-deutsche Europaschule dazukommen, für die es schon 90 Voranmeldungen gibt. „Wir haben im Sommer 1991 ganz klein angefangen, erst im Bekanntenkreis gesucht und dann Kinderfeste veranstaltet und Werbung gemacht“, sagt Dolf Straub von der Initiative für eine spanisch-deutsche Europaschule, der mit einer Südamerikanerin verheiratet ist.

Nach monatelangen Verhandlungen zwischen der Elterninitiative, der Schulverwaltung des Senats und verschiedenen Grundschulen ist jetzt die 3. Grundschule in Friedrichshain als einer von zwei Standorten vorgesehen. „Wir wollen das aus vollem Herzen“, freut sich die Rektorin Rita Wolff. „Unsere Kinder schmoren im Kiez im eigenen Saft, die brauchen Kontakte nach außen – schon, damit das Gefühl der Ausländerfeindlichkeit gar nicht erst aufkommen kann.“ Über einen zweiten Standort in Charlottenburg entscheidet die Schulverwaltung in der kommenden Woche.

Kritik an der Umsetzung des Pilotprojekts Europaschulen äußert Burkhart Sellin, der es als Leiter der „Arbeitsgemeinschaft für Internationale Schulen für die Europa-Union Berlin“ mit initiiert hat: Zum einen würden die nichtdeutschen Lehrer als Angestellte weit schlechter bezahlt als ihre deutschen Kollegen; zum anderen stünde zuwenig Geld für Lehrerfortbildung zur Verfügung. „Vor allem sind wir aber nicht damit zufrieden, daß bis jetzt nur die Hauptverkehrssprachen angeboten werden“, sagt Sellin. „In Berlin sind Sprachen wie Türkisch und Polnisch viel wichtiger.“ Pläne für eine türkisch-deutsche Schule, für die sich die Türkische Gemeinde einsetzt, würden vom Senat auf die lange Bank geschoben. „Für die haben die Weltsprachen Vorrang, und sie versuchen gar nicht erst, den Bedarf konkret zu messen.“

„Wir verzögern das nicht, aber offenbar gibt es nicht genug Interesse für eine türkisch-deutsche Europaschule“, meint Andreas Moegelin, der Sprecher der Schulverwaltung. Bislang sei nur eine Grundschule in Kreuzberg zur Aufnahme der Europaschule bereit gewesen. Doch sei dort nicht die vorgeschriebene Mindestanzahl von Erstkläßlern – 48 Schüler in zwei Klassen – zusammengekommen.

Weitere Initiativen für eine griechisch-deutsche und eine italienisch-deutsche Europaschule sind gleichfalls noch weit von ihrem Ziel entfernt. Und mit der Einrichtung der portugiesisch-deutschen Europaschule könnte man frühestens zum Schuljahr 1996/97 rechnen, meint Sabina Hamm: „Die erforderliche Schülerzahl haben wir zwar jetzt beieinander, aber es wird noch lange dauern, bis das durch die Verwaltung ist.“