■ Tip
: Klanglandschaften

„Streifzüge durch den Dschungel der akustischen Ökologie“, heute, 21.00 Uhr, S2 Kultur

Für Kafka wäre er ganz bestimmt die Rettung gewesen: der Lärmlöscher. Denn als früher Vertreter der Geräuschgeschädigten stöhnte er einst „Der Herr schenke uns Ohrenlider.“

Heute hingegen horchen futuristische Komponisten inmitten unserer industriellen Klangwelten auf und erkennen, daß der reine Klang inzwischen ein kostbarer Rohstoff ist, von dessen dramatischer Ausbeutung sich die wenigsten ein Bild machen. Und während unsere Steinwüsten normiert vor sich hindudeln, lockt ein Basler Geographie-Professor sein Seminar in die Wüste und lehrt dort „Welthören“, die Hörerfahrung des Raums. Und entgegen industriellen Akustikdesignern, die Maschinen mit gut verkäuflichen Tönen nachladen und so die Verstärkung von Hörklischees unterstützen, schützen die Franzosen ihre Sinne besser. So wie der grand old cameraman Henri Alekan den Stadtplanern sein Händchen fürs öffentliche Lichtdesign leiht, demonstriert auch Louis Dandrel, daß Künstler ihre Elfenbeintürme nur allzugern verlassen. Diese Personalunion von Komponist, Architekt und Stadtentwickler reichert die industrielle Leerfloskel von der „Stadt der Zukunft“ mit Lust und Sinnesfreude an: Er versteht den urbanen Raum als Konzertsaal, der mittels akustischem Design in polyphoner Harmonie erklingen soll.

Solch angenehme Töne schlägt Sabine Breitsameters Soiree an: Neben den Ansichten Murray Schafers – Klangökologie aus Vancouver – schöpft die Autorin mit leichter Hand die Sahne der akustischen Welt ab: singende Stimmen des Regenwaldes, knirschende Schritte im Kies, die Konzepte von soundsculptor Bill Fontana und mehr. Sie geht dabei mit bemerkenswertem Spürsinn für den Hörsinn vor. In zwei Stunden werden assoziative Höreindrücke, Mythen, Berichte über Radiokunst und Radiokritik freskenhaft locker evoziert und verbunden vom leitmotivisch wiederkehrenden Schnarren der Zikaden. Und die summen noch nach, während ich längst mit verstopften Ohren vor dem geschlossenen Fenster über meiner Schreibmaschine hocke.Gaby Hartel