Das eigentliche Miststück

■ Neue rezeptionsanalytische Forschungsansätze in Sachen „Denver-Clan“

Ihr „Blake“ klang wie ein Flehen, ein Bitten um Aufmerksamkeit und Liebe. Keine konnte so gut den Namen ihres Gatten hauchen wie Krystle Carrington, während der achtziger Jahre der insgeheime Serienliebling aller Schwulen und Hausfrauen. Ohne Krystle, gespielt von der amerikanischen Schauspielerin Linda Evans (Ex- Tochter Barbara Stanwycks in „Die Leute von der Shilo-Ranch“) wäre der „Denver-Clan“ nie zu dem weltweiten Serienerfolg geworden, hätte die Soap-Konkurrenz „Dynasty“ zu keinem Zeitpunkt das Schlachtschiff „Dallas“ in den US-TV-Charts überholen können.

Von Sonntag an darf nun ein Wiedersehen gefeiert werden mit Blake und Krystle, mit Jeff, Fallon, Sammy und Steven, vor allem aber auch mit Blakes geschiedener Gattin Alexis, genannt „Das Biest“. Der Münchner Privatsender Pro 7 wiederholt alle Folgen der Geschichte um Neid und Reichtum, Juwelen und Straß, Intrigen und Leidenschaften – ein medienwissenschaftlich lobenswertes Unterfangen.

Denn während in Deutschland noch gemeinhin die Meinung vorherrscht, Krystle Carrington sei die blonde Inkarnation des unschuldigen Serienopfers, haben sich in den USA längst neue Erkenntnisse in der „Dynasty“-Rezeptionsforschung ergeben, die nun auch der deutsche Zuschauer im Review überprüfen kann. Nicht Alexis, so ergaben die neuesten inhaltsanalytischen Untersuchungen, ist das Biest, die Schlange und Hexe. Der wahre Aggressor heißt Krystle.

Ewig lieb, lächelnd, Verständnis habend und Hilfe anbietend, geschlagen und getreten, waidwund und rehäugig schaut sie allzeit in die Kamera; Alexis hingegen ist ganz energische Dame, entscheidend, befehlend, protzend, kämpfend. Lächelnd sieht man sie nur nach einem wirklich fulminanten Beischlaf mit einem ihrer geldgierigen Untergebenen. Heerscharen von Frauen wünschten ihr dafür in den Achtzigern die Pest an den Hals. Krystle dagegen war auch der Liebling der Schwulen, die eine mütterliche Freundin brauchen, einen Seelenmülleimer also.

Nun also muß die TV-Trivialgeschichte umgeschrieben werden, denn in Wahrheit ist Krystle das Miststück unter strengster Camouflage. Gut, Krystle hat ihren schwulen Stiefsohn Steven eher in die Arme geschlossen, aber war das nicht eher eine Geste der Vereinnahmung? Welchen Charakter zeigt Krystle eigentlich – wenn nicht den einer verweichlichten Sekretärin, die zu scheinbar unkontrollierten Tränenausbrüchen neigt? Und stimmt nicht auch, daß sie Alexis mies behandelt hat, sich sogar vorsätzlich verprügeln ließ, nur um das Mitleid Blakes zu erheischen?

Alexis, diese faire Furie, hatte solchen Sensibilitätsschnickschnack nie nötig. Sie braucht nicht einmal Silikon. Alexis hat Sex – ein Talent, das bei Krystle auch nach weiteren 300 Folgen nie zu schimmern begonnen hätte. JaF