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■ Press-SchlagExotik-Treff an der Bobbahn

Es war eine eindeutige Angelegenheit, daß kein anderer als Rusiate Rogoyawa die Fahne seines Landes hochhalten würde. Rogoyawa ist der einzige Sportler in seinem Team. „Fidschi“, hinter dem Schild marschierten drei Menschen ins Stadion – ein Athlet, ein Trainer, eine Funktionärin.

„Rusi“, der Rugbyspieler, leidenschaftliche Boxer und Skilangläufer, ist ein begeisterter Fan. Er war immer dabei, wenn die Massen ins Birkebeineren-Stadion stürmten. Dann stand der 32jährige in der Mixed Zone und schaute auf der überdimensionalen Videoleinwand den Wikingern bei der Ausübung ihres Lieblingssports zu. Mit der Langlaufelite kann der Mann aus dem Land mit einer durchschnittlichen Wintertemperatur von 20 Grad nicht mithalten. Auf der 10-km-Strecke kam er 14 Minuten hinter Björn Dählie ins Ziel. Was soll's? Schließlich hat für Rogoyawa das Unternehmen Langlauf erst begonnen, als er 22 war. Norwegische Freunde haben ihn auf die langen Latten gestellt. Eine wacklige Angelegenheit. „Ich hatte überhaupt kein Gleichgewichtsgefühl.“ Und: „Weder Talent noch Kondition.“ Sein Ziel? Ein großes Dennoch – dabeisein eben.

Die Verwirklichung dieses genuinen olympischen Mottos wird immer schwieriger, seit das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Hürden erhöht hat. Bei fünf internationalen FIS-Rennen mußte Rogoyawa in der vorolympischen Saison an den Start. „Ich habe keinen Sponsor, zahle alles selbst.“ Also reiste der Elektriker, der mit einer Norwegerin verheiratet ist und in der Nähe von Oslo lebt, dem Skizirkus hinterher. Das bedeutet nicht nur hohe Spesen, das bedeutet auch Verdienstausfall.

Im olympischen Dorf ißt Rogoyawa mit Sportlern von den Virgin Islands, mit den Jamaikanern, den Bobfahrern aus Amerikanisch-Samoa. „Wir haben so viel Spaß zusammen“, freut sich der 92-Kilo-Mann bärig. Auf seinem Trainingsanzug, den ihm das norwegische Team vermacht hat, steckt ein Pin mit dem nationalen Symbol, einem Kanu, unter den fünf Ringen. Eine Spezialanfertigung für den einzigen Vertreter der Fidschiinseln? Er lacht: „Ja, und meine Frau versucht die Dinger in der Storgata so teuer wie möglich zu verkaufen.“ Ebenso die T-Shirts und Mützen, die er eigens mit dem Fidschi-Emblem fertigen ließ. Schließlich „muß ich mir Olympia irgendwie doch finanzieren“. Rogoyawa fühlt sich „wie ein Fisch auf dem Land“ und in dieser Rolle sehr wohl. „Ich zeige der Welt, daß es die Fidschiinseln gibt, und meinem Land, daß es möglich ist, Ski zu fahren.“ Er blickt auf die Siegerzeiten und sagt: „Olympia sollte ein Spiel bleiben.“

Das IOC indes strengt sich an, die wahren Amateure zu vertreiben. Im Eiskunstlauf ist eine Qualifikation nur über Weltmeisterschaften möglich. Im Eishockey ebenso. Im Eisschnellauf reduzieren Normzeiten das Feld. Die alpinen Skiläufer müssen sich in der FIS-Liste unter den besten 500 (Männer) oder 600 (Frauen) einreihen. Was Alphonse Gomis den olympischen Traum verdarb. In Albertville hat der Alpen-Senegalese noch gezeigt, warum ein olympischer Riesenslalom etwas anderes ist, als ein Weltcup- Rennen. Er amüsierte sich und das Publikum, als er den etwas gemütlicheren Weg durch die Stangen suchte. Vorbei.

Die Skispringer müssen in den letzten beiden Jahren FIS- Punkte gesammelt haben. Weshalb auch ein „Eddie the Eagle“ außen vor blieb. In den nordischen Disziplinen ermöglicht erst ein Resultat mit mindestens hundert FIS-Punkten oder die Teilnahme an fünf internationalen Wettkämpfen im Olympiajahr das Olympiaticket.

Nur Rodel und Bob ist aus Sicht der „Exoten“ gut. Rodlern und Bobfahrern wird kein Riegel vorgeschoben. Der Verband nimmt jeden mit offenen Armen – selbst den Thronfolger der monegassischen Fürstenfamilie, Prinz Albert. Die einzige Voraussetzung – ein Bob- oder Rodel-Lehrgang muß absolviert werden. Weshalb Hunderfossen zum Stelldichein der Sportler aus Trinidad, Jamaika, Südafrika usw. wurde. Nur schade: Kaum einer hat's gesehen.

In vier Jahren in Nagano (Japan) will Rusiate Rogoyawa seine letzten Olympischen Spiele bestreiten. Die Qualifikation wurde weiter verschärft. Bis dahin muß auch er im Langlauf FIS-Punkte vorweisen. Also erwägt er, seine Bob-Führerscheinprüfung abzulegen. Auf den Fidschis gebe es viele gute Rugby-Spieler. „Die sind schnell und stark, vielleicht finde ich unter denen gute Bremser.“ So wird auch Rogoyawa seinen Traum gezwungenermaßen den Gegebenheiten anpassen. „Ich hoffe,“ sagt der Mann vom Pazifik, „daß den Spielen der Geist nicht ganz verlorengeht.“ Cornelia Heim

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