Gastkommentar
: Schulsterben naht

■ Wie die Ampel gymnasiale Oberstufen schließt, ganz ohne es offen zu sagen

Manchmal kommt man an einer Binsenwahrheit nicht vorbei. So muß auch die Ampel am Ende begreifen, daß es Oberstufenschüler in Bremen nur in begrenzter Zahl gibt und daß es folglich bei den gymnasialen Oberstufen nicht anders ist: Die interessanteste Oberstufe mit einem breitgefächerten Kursangebot verlangt pro Jahrgang 120 Schüler. Wenn sich künftighin die bremischen Gymnasiasten auf solche Oberstufen konzentrieren, müssen anderswo drei oder vier Oberstufen dichtmachen. Ihr Kursangebot wird ständig schrumpfen, sie werden zu unattraktiven Schmalspurschulen, sie werden also immer weniger angewählt werden. Ihr Ende ist programmiert. In Bremen-Nord und im Bremer Westen, aber auch im Holter Feld und in der Neuen Vahr wird bald der Schultod an die Oberstufentüren klopfen.

Ich habe eine solche Oberstufenschrumpfung einmal gewollt. In erbitterten Auseinandersetzungen vor Ort - im Bremer Westen und in Bremen-Nord waren sie besonders dramatisch - ist der regionale Schulfrieden dadurch hergestellt worden, daß den gewachsenen Stadtvierteln ihre Oberstufen garantiert worden sind, auch bei reduziertem Kursangebot. Die Bildungsleere eines Stadtteils habe ich schließlich als das größere Übel erkannt. Ein Schulstandort wirkt nämlich auf seine Umgebung zurück. Wer gymnasiale Oberstufen aufgibt, zerstört das intellektuelle Reizklima eines Stadtteils. Standortgarantie heißt aber Garantie der Schülerzahl. Nur Schelme oder Toren sagen es anders.

Was die Ampel jetzt beschlossen hat, ist ein neues Schulschließungskonzept. Der Staat schließt die Schulen nicht mehr direkt, sondern das von der Regierung ausgerufene freie Spiel der Kräfte wirft die gefährdeten Standorte in den bildungsfernen Stadtteilen auf die Bretter. Kein Wunder, daß die SPD sich damit schwer getan hat, bricht doch ein Eckpfeiler ihrer Bildungspolitik zusammen. Das einzugestehen, verlangt die politische Redlichkeit. Die FPD braucht das nicht zu genieren. Sie denkt nur an ihr eng begrenztes Bildungsklientel. Was bildungsfern ist, hat sie nie geschert. Und Grün hat kein Konzept.

Wenn auch sattsam bekannt ist, daß Bildungspolitik nicht wahlentscheidend wirkt, so spürt der Wähler doch, wo Aufrichtigkeit herrscht. Wenn künftig Schulen sterben, so kann kein Genosse sagen, daß er das nicht gewollt habe. Wer Schulen mit dürftigen Ressourcen aufeinanderhetzt, muß wissen, wer verliert: das bildungsschwache Elternhaus.

Horst-Werner Franke, Bildungssenator a.D.