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Bleibt irgendwie ein Zwitter

■ Marlene, Marlene – ein Buch diesmal nicht über ihr Leben in Gerücht und Bild, sondern über ihre Arbeit

Es gibt schon viele Bücher über Marlene Dietrich. Jetzt gibt es noch eins. Das heißt, eigentlich handelt die Aufsatzsammlung „Auf Liebe eingestellt“ von Richard Mentele von mehr und weniger als Marlene Dietrich. Sie handelt von der Kunstfigur Marlene, von einem Idol also, einer Leinwand für Wunschprojektionen. Die, die versuchen, sich dem Phänomen anzunähern, reden dabei über sich selbst. Das ist kein Nebeneffekt des Bändchens, sondern der Movens seiner Entstehung: Das Kapitel über „Das Gesicht“ beginnt mit der Abbildung eines schlichten geschlossenen Koffers, auf dessen Stirnseite der Name der Künstlerin eingestanzt ist. Als nächstes zitiert Mentele dann aus Erich Maria Remarques „Arc de Triomphe“: „(...) es war ein leeres Gesicht, dachte er; ein Gesicht, das jeder Wind des Ausdrucks ändern konnte. Man konnte alles hineinträumen.“

Historische beschreibende Texte von Franz Hessel, Alfred Kerr und Max Brod stehen neben Menteles ansatzweise analytischer Skizze über „Marlene Dietrich im Film“. Wie wird der Mythos inszeniert, wie vereinbaren sich Präsenz und zugleich Offenheit nach allen Seiten, wie wird eine Schauspielerin im filmtechnischen Sinne buchstäblich „auf Liebe eingestellt“?

Nach einem kurzen persönlichen Bericht von Mercedes de Acosta über die private Marlene Dietrich, der nicht so recht in den Rahmen des Buches passen will, widmen sich Manfred Georg, Dolf Steinberger und abermals Mentele der Stimme Marlenes. Leinwandgöttin und Circe. Auch hier stehen historische „Momentaufnahmen“ neben dem originalen Beitrag, auch hier zerfällt das zu Beschreibende notwendig in ein Konglomerat von Einzelphänomenen. Sternberger über die Interpretation von den „Boys in the Backroom“: „Diese halben Töne, diese in gurrendem Gemurmel verschwimmenden Verschlüsse, und dann wieder dieser frech-fröhliche Trotz, mit dem die Stimme sich, halb singend, halb sprechend, jedesmal zu schmetternder Deutlichkeit erhebt bei den Worten: ,...and when I die‘, mit denen der Refrain im Marschierrhythmus anhebt!“ Akribische Erkundungen der Stimmtechnik als Eingeständnis der Unbeschreibbarkeit des Gesamteindrucks: diese tiefe Emotionalisierung bei einem scheinbar minimalen Einsatz optischer oder akustischer Mittel.

Daß sich Marlene Dietrich auch selbst als Gesamtkunstwerk im Dienste der Öffentlichkeit verstand, wird deutlich in den abschließend abgedruckten Passagen aus dem Interview mit Maximilian Schell 1982 in ihrer Pariser Wohnung. Es sind Transkriptionen ungeschnittener Bänder, ein Urabdruck also. „Ich bin eine Schauspielerin und mache, was man mir sagt“, heißt es da. Und über ihren erotischen Eindruck in Filmen: „Ich persönlich war gar nicht von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, überhaupt nicht, interessierte mich überhaupt nicht. Aber wie ich das da gesungen habe, haben die alle gedacht, ich bin so, nicht... ehm, die haben gedacht, ich bin so... heißt das sinnlich?“

Das Buch ist angenehm aufgemacht, reich bebildert, im Ganzen sympathisch, es liest sich schnell weg und bleibt dennoch irgendwie ein Zwitter. Mentele läßt Biographisches erfreulicherweise außen vor und klebt doch zu sehr an der Person Marlenes. Sie wirkte so und so und aus diesem oder jenem technischen Grund etc. Aber das Phänomen der Idolisierung selbst wird nicht angesprochen. Der Dunstkreis des Mythos umfängt wohl auch jenen, der aufbricht, ihn zu lichten. Petra Kohse

Richard Mentele: „Auf Liebe eingestellt. Marlene Dietrichs schöne Kunst“. Bollmann Bibliothek, 191 Seiten, gebunden.

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