Länger Lora

■ Das Münchner Alternativ-Radio sendet ab morgen auf neuer Frequenz

Seit dem 8. Oktober 1993 kriegen die sonst so flockigen DJs des Münchner Dudelsenders „89 Hit FM“ werktags kurz vor 18 Uhr regelmäßig seriös belegte Stimmen. Mannhaft verteidigen sie, was sie gemeinsam mit zwei weiteren Kommerzsendern für ihr angestammtes Hoheitsgebiet halten: die UKW-Welle 89,00. Schon fünf lange Monate müssen sie da zwischen 18 und 20 Uhr den frechen Neuling „Radio Lora“ ertragen. Was nun komme, so die grimmige Botschaft, sei keineswegs von Hit FM gestaltet, verbreitet und verantwortet. Und überhaupt sei es nur vorübergehendes Ungemach. Schlag sechs krächzt der Lora-Papagei, und dann folgt zwei Stunden lang ein schräges, kritisches und bisweilen freilich auch schrecklich alternativ-betuliches „Radio von unten“. Lora eben, „der Sender, der aus dem Rahmen fällt“.

Mit dem Kampf im Äther auf 89,00 MHz soll es ab morgen vorbei sein. Einiges deutet jedoch darauf hin, daß Lora auch weiterhin nicht ohne ängstliches Krächzen auskommen wird. Dann aber auf 92,4 MHz. Auf dieser Welle nämlich hat die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) Radio Lora hinfort täglich drei Stunden zugewiesen – von 18 bis 21 Uhr, auch am Wochenende. Damit sind die jahrelangen Kämpfe zur Verhinderung von Radio Lora beendet, an denen sich auch Peter Gauweiler in seiner aktiven Zeit immer wieder gerne beteiligte.

Nachdem das unsägliche Radio Arabella die 92,4 verläßt, um sich – unterstützt von CSU und Leo Kirch – auf der reichweitenstarken „Goldesel-Frequenz“ 105,2 zu etablieren, übernimmt nun Lora den freiwerdenden Platz. Und in seiner „liberalitas bavariae“ nachgerade über sich hinauswachsend, wies die BLM auch noch dem fröhlichen Musik- und Kabarettsender Radio Feierwerk zwei Stunden auf derselben Welle zu. Allerdings – im Gegensatz zu Lora – erst mal nur auf Bewährung. Die Feierwerker haben sich nämlich den Zorn der BLM zugezogen, weil in einem ihrer Kabarettprogramme im Zusammenhang mit der katholischen Kirche von „Weihrauchkiffern“ die Rede gewesen war.

Höchst unzufrieden mit dem ganzen Geschäft ist Hans Ruland von der „Jazzwelle plus“. Ruland, der seit Jahren neben Radio Arabella die 92,4 mit gepflegtem Jazz veredelte, mag sich nicht recht damit abfinden, nun mit den „Alternativen“ die Frequenz teilen zu müssen. Im übrigen, so Ruland gegenüber der taz, gebe es „kein linkes Dur und Moll“, und schon deshalb sei die Jazzwelle mit den anderen zwei Sendern „nicht kompatibel“. Was er gegen seine neuen Frequenzgenossen unternehmen wird, wollte der Jazzfunker nicht verraten. Möglich ist eine einstweilige Verfügung.

So bleibt es bis Dienstag, 18 Uhr, spannend. Bei Radio Lora gibt man sich indes gelassen-hoffnungsfroh. Im engen Studiokeller im Stadtteil Haidhausen wird emsig am neuen Programmschema gestrickt. Das bisher halbstündige Stadtmagazin wird auf eine Stunde gestreckt. Die dann folgenden verschiedenen Programmblöcke wie Lora International, Schwulenfunk Uferlos, INländer (zumeist türkisch und kurdisch), Kultur- und Ökomagazin sowie die unterschiedlichsten Musikblöcke von Latino bis Techno müssen neu verteilt werden. Neue Jingles werden produziert, weitere Mitarbeiter und Mitglieder im Förderverein gesucht (Beitrag: 60 Mark pro Jahr). Und auch die Werbung soll angekurbelt werden. Denn trotz der Losung „Kein Kommerz auf Megahertz“ hat man nichts gegen Spots aus der Alternativszene. Schon um die leere Kasse ein wenig aufzufüllen.

Das produktive Chaos, schon bisher stetes Markenzeichen des Senders, wird sich zunächst wohl eher noch vergrößern. Die Professionalisierung der allesamt ehrenamtlichen Mitarbeiter schreitet – vielleicht sogar gewollt – nur sehr gemächlich voran. Ein bißchen geht es zu wie bei der taz in ihrer Frühzeit: jede Menge Politstreitigkeiten, Peinlichkeiten, Patzer und Pannen. Wie es sich gehört, für einen noch jungen Alternativsender. Thomas Pampuch