■ Israels Siedler sollen entwaffnet werden
: Schadensbegrenzung

Retten, was zu retten ist, werden sich die israelischen Minister gedacht haben, als sie gestern beschlossen, die militanten Siedler in den besetzten Gebieten zu entwaffnen. Noch wenige Stunden zuvor hatte Ministerpräsident Rabin erklärt, die Siedler müßten weiterhin bewaffnet bleiben, um sich gegen Palästinenser zu verteidigen.

Es mögen die Demonstrationen und Straßenschlachten gewesen sein, die diesmal nicht nur die besetzten Gebiete erschütterten, sondern auch das bisher friedliche israelische Kernland, die Rabin zu dem Schwenk bewegten.

Dem kühl kalkulierenden Militär dürfte aufgegangen sein, daß er bei Beibehaltung des Status quo zwar Verträge mit der PLO-Führung schließen kann, diese aber nicht mehr für sich in Anspruch nehmen kann, die Palästinenser in den besetzten Gebieten zu vertreten.

Nach dem Blutbad von Hebron skandierten dort Palästinenser: „Tod Jassir Arafat!“ Der einst von beinahe allen Palästinensergruppen als Identifikationsfigur akzeptierte PLO-Chef gilt mittlerweile vielen als Kollaborateur mit den Besatzern. Der Haß auf die PLO-Führung ist längst nicht mehr unter Islamisten und den als „Ablehnungsfront“ verschrienen Gruppierungen verbreitet, sondern auch unter bisher bedingungslosen Arafat-Anhängern.

Die PLO-Führung hat in den Stunden nach dem Blutbad deutliche Signale nach Jerusalem geschickt, daß sie die Verhandlungen über das „Gaza-Jericho- Abkommen“ dennoch fortsetzen will. Zwar forderte Arafat vom UN-Sicherheitsrat eine eindeutige Verurteilung des Massakers, ließ aber gleichzeitig verlauten, daß eine entsprechende Resolution keine Vorbedingung für die Weiterführung der Gespräche sei. Die Israelis hätten also alles beim alten belassen können und früher oder später wieder mit PLO-Delegationen an einem Tisch gesessen. Freilich würden sich die palästinensischen Verhandlungsführer in den besetzten Gebieten nur noch unter starkem israelischem Polizeischutz bewegen können.

Die israelische Regierung hofft durch die spektakuläre Entscheidung auch, die heute tagenden Mitglieder des UN-Sicherheitsrats milde zu stimmen. Den Delegierten liegt ein Resolutionsentwurf der islamischen Staaten vor, in dem neben einer Verurteilung des Massakers und eben der Entwaffnung der Siedler die Entsendung internationaler Schutztruppen in die besetzten Gebiete gefordert wird. UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali schlug am Samstag in einem Schreiben an Rabin die Entsendung von UN-Beobachtern vor. Eine solche „vorübergehende internationale oder ausländische Präsenz“ ist schwammig auch im Gaza-Jericho-Abkommen festgeschrieben. Die israelische Regierung will die Anwesenheit nichtisraelischer Autoritäten jedoch unbedingt verhindern. Sie widerspräche der beanspruchten alleinigen Hoheit über das Territorium. UN-Blauhelmsoldaten in der Westbank und im Gaza-Streifen bildeten eine optische Erinnerung an die zahlreichen UN-Resolutionen, die einen Rückzug der israelischen Truppen aus den 1967 besetzten Gebieten fordern. Da die meisten palästinensischen Opfer in den vergangen Jahren nicht von Siedlern erschossen wurden, sondern von israelischen Soldaten, könnten ausländische Soldaten oder Beobachter in den besetzten Gebieten auch nach dem gestrigen Beschluß Leben retten. Thomas Dreger