Israelische Siedler bald waffenlos

Zwei Tage nach dem Massaker von Hebron ordnete die israelische Regierung die Entwaffnung militanter jüdischer Siedler an / Proteste und Unruhen auch im israelischen Kernland  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Zwei Tage nach dem Massaker von Hebron beschloß das israelische Kabinett gestern die Entwaffnung jüdischer Siedler und die Verhaftung von Führern militanter Gruppierungen. Zudem kündigte sie die Freilassung von 1.000 inhaftierten Palästinensern an. Umweltminister Jossi Sarid erklärte, die Regierung habe die Armee ermächtigt, die Aktivitäten der Kach-Bewegung und anderer militanter Siedlerorganisationen in den besetzten Gebieten einzuschränken. Die Behörden würden überprüfen, welche Möglichkeiten es gebe, die Gruppierungen zu verbieten. Eine Untersuchunskommission soll die Hintergründe des Massakers überprüfen.

Immer noch ist unklar, wie viele Palästinenser bei dem Blutbad in der Ibrahim-Moschee und dem anschließenden Auseinandersetzungen umgekommen und wie viele verletzt worden sind. Die in Ostjerusalem erscheinende palästinensische Zeitung Al-Quds berichtete von 51 Todesopfern, von denen 48 in der Moschee und drei von Soldaten vor dem Krankenhaus der Stadt in der Westbank erschossen wurden. Laut amtlichen israelischen Quellen sollen dagegen 39 Palästinenser in der Moschee selbst getötet worden sein und 20 weitere später – durch Schüsse, die von Sicherheitskräften abgegeben wurden.

Ungeklärt bleibt auch die Frage, wo die Mitglieder jener Grenzschutzeinheit waren, die sonst die Moschee bewacht. Andererseits konnten Soldaten, die vor der Moschee standen, während des Überfalls angeblich nicht in die Gebetssäle vordringen, weil fliehende Palästinenser den Weg blockierten. Offen ist derzeit auch, wie der uniformierte Arzt und Attentäter Baruch Goldstein ungestört mit seinem Galil-Gewehr und viel Munition in den Gebetsraum gelangen konnte.

Unter den Siedlern in den besetzten Gebieten gibt es zahlreiche Bewunderer des Massenmörders. Manche sagen offen, es wäre richtig gewesen, noch mehr Palästinenser zu erschießen. Die Fotografie Goldsteins wird unter rechtsradikalen Siedlern in Kiriat Arba bei Hebron herumgereicht, als ob sie eine Ikone wäre. Viele trauern um den „Helden Dr. Goldstein“.

Auch unter weniger radikalen Siedlern gibt es Stimmen, die „Verständnis“ für Goldsteins Motive finden und seine Qualitäten als „Mensch und Arzt“ preisen. Andere Siedler sagten, die „Aktion“ sei zu erwarten gewesen. Weitere Siedler würden Goldsteins Beispiel bestimmt Folge leisten.

Die Kommunalverwaltung von Goldsteins Siedlung Kiriat Arba bedauerte die Tat, vermied es jedoch, das Massaker zu verurteilen. Die Schuld für das Ereignis wird der Regierung gegeben, die seit Beginn der Verhandlungen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) die Sicherheit der Siedler vernachlässige.

Ungefähr zehn Prozent der Siedler identifizieren sich mit den militanten rechtsradikalen Rassisten oder gehören den verschiedenen Formationen der Kach-Bewegung oder ähnlichen Randgruppen an. Mindestens ein Drittel der Siedler, darunter zahlreiche Anhänger national-religiöser Organisationen, sympathisiert mehr oder minder mit rechtsextremen Vorstellungen. Das heißt jedoch nicht, daß es innerhalb dieser Strömung eine Mehrheit gibt, die sich mit dem Massenmörder von Hebron identifiziert. Eine große Zahl der Siedler hegt Haßgefühle gegenüber den Palästinensern, jedoch bilden sie keine homogene ideologische oder politische Einheit. Es ist aber unmöglich, die verschiedenen vorhandenen Meinungen zahlenmäßig zu bestimmen.

In den besetzten Gebieten, die zu geschlossenen Zonen erklärt wurden, sowie in fast allen arabischen Städten und Dörfern in Israel gab es am Wochenende stürmische Protestdemonstrationen. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, Zahlreiche Palästinenser wurden verhaftet.