Reif für den Kabinettstisch

■ Die Grünen gaben sich auf ihrem Wahlparteitag selbstbewußt und entschlossen

Mannheim (taz) – Mit demonstrativem Selbstbewußtsein und einem eindeutigen Bekenntnis für eine rot-grüne Reformregierung haben Bündnis 90/Die Grünen gestern ihren Mannheimer Parteitag beendet. Bereits am Vorabend hatten die mehr als 600 Delegierten ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahlen verabschiedet, in dessen Mittelpunkt die Forderungen für einen sozialen und ökologischen Umbau stehen. Nach fast zweitägiger Debatte stimmte am Ende nur ein Delegierter gegen die bündnisgrünen Wahlaussagen. Gleichzeitig betonten viele ParteitagsrednerInnen, darunter Parteisprecher Ludger Volmer, die Grünen würden sich „nicht um jeden Preis“ zu einer Koalition bereitfinden.

Am heftigsten wurde in Mannheim über den außenpolitischen Programmteil gestritten. Die Delegierten sprachen sich für eine etappenweise Auflösung der Bundeswehr mit dem Ziel einer „Bundesrepublik ohne Armee“ aus. Die Abschaffung soll in einem „Prozeß der Abrüstung und Konversion“ stattfinden, „der politisch und gesellschaftlich schrittweise durchgesetzt werden muß“. Als Einstieg wollen die Grünen in der Regierung den sofortigen Stopp aller militärischen Großprojekte durchsetzen. Die Grünen fordern weiter „eine politische Initiative zur Auflösung der Nato in ein System gemeinsamer Sicherheit“. Eine deutsche Beteiligung an Blauhelmeinsätzen wird in dem Programm ebenfalls abgelehnt. Für einen Antrag der Realos, der für eine Überführung der Nato in die KSZE plädierte und eine Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee vorschlug, erwärmten sich nur 30 Prozent der Delegierten.

Im innenpolitischen Programmteil verabschiedeten sich die Grünen von ihrer bisherigen Beschlußlage der „offenen Grenzen“. Ein von Christian Ströbele eingebrachter Vorschlag, der das „Recht auf Freizügigkeit“ eingefordert und „Abschottungsversprechen irgendeiner Art“ kategorisch ausgeschlossen hatte, fand keine Mehrheit. Statt dessen wollen sich die Grünen nach der Wahl für ein „humanes Einwanderungsrecht“ einsetzen, das Regelungen für alle Zuwanderer umfassen soll. Weiter sprechen sich die Grünen für die doppelte Staatsbürgerschaft und das Ausländerwahlrecht aus. Im Wirtschaftsteil stimmte die Versammlung mit großer Mehrheit für die Einführung von Ökosteuern, eine deutliche Arbeitszeitverkürzung sowie für eine Grundsicherung in Höhe des Existenzminimums. Die Mineralölsteuer soll, wenn es nach den Grünen geht, auf bis zu fünf Mark pro Liter Benzin angehoben werden.

In der Streitfrage Atomausstieg legten die Grünen auf eine sofortige Umsetzung fest. Diese sei in „ein bis zwei Jahren rechtlich möglich, technisch umsetzbar und wirtschaftlich verkraftbar“. Joschka Fischer war mit seinem Antrag für ein „verbindliches, sofort beginnendes, kurzfristig umzusetzendes und politisch kontrolliertes Ausstiegsprogramm“ gescheitert. Der Versuch, im Programm die Absage an eine Ampelkoalition festzuschreiben, scheiterte. Die Grünen, so der Tenor der Debatte, seien selbstbewußt genug, um nach der Wahl ihre Entscheidung über die möglichen Konstellationen zu treffen. eis Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10