Lemke bis '77 vom Verfassungsschutz observiert

■ Hamburger Innensenator gibt umfassende Ehrenerklärung ab: „Nie ein Doppelagent“

Mit einer umfassenden Ehrenerklärung hat sich gestern Hamburgs Innensenator Werner Hackmann vor Werder-Manager Willi Lemke gestellt. So sei Lemke „niemals tatsächlich Agent des KGB gewesen“. Er habe vielmehr „ausschließlich Aufgaben im Rahmen der Spionageabwehr für die Bundesrepublik erfüllt“. Auch habe sich Lemke „an die ihm vom Verfassungsschutz erteilten Weisungen und Aufträge strikt gehalten“ und „weder der Bundesrepublik noch irgendeinem Bürger einen Schaden zugefügt“. Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz habe „zu keiner Zeit der Zusammenarbeit irgendeinen Zweifel an der Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit von Willi Lemke gehabt“.

Zumindest im letzten Punkt war die Situation beim Bremer Verfassungsschutz anders. Denn der hat Willi Lemke noch vier Jahre nach seiner „Abschaltung“ als Agent im Oktober 1973 observiert, um herauszufinden, ob der inzwischen zum Bremer SPD-Geschäftsführer avancierte Politiker nicht vielleicht doch noch Kontakte zum KGB hält. Das zumindest geht aus der Bremer Verfassungsschutz-Akte hervor, die Lemkes Anwalt, Waldemar Klischies, am Freitag einsehen konnte. Dieses Mißtrauen der Bremer Schlapphüte hielt sogar noch an, nachdem Lemke ihnen im September 1975 einen Brief übergab, in dem er in kaum verschlüsselter Form vom KGB noch einmal um Zusammenarbeit angegangen worden war.

„Damals hätte dieses Mißtrauen Lemke sicher geärgert, heute freut er sich eher darüber“, meint Anwalt Klischies. Denn schließlich sei damit auch der letzte Verdacht aus der Welt geräumt, Lemke habe als „Doppelagent“ beiden Seiten gedient. Besonders vorbildlich findet Klischies zudem das Verhalten des damaligen Bremer Innensenators Fröhlich. Der habe im Oktober 1973 sofort reagiert, als er von der Verfassungsschutz-Tätigkeit Willi Lemkes erfahren hatte. Schon zwei Tage später habe er die Abschaltung des Agenten angeordnet.

Auch die Hamburger Verfassungsschutz-Akten konnte Lemkes Anwalt gestern einsehen. Daraus gehe hervor, daß der damals 23jährige Sportstudent sich erst nach wochenlangem Zögern und mehreren Überredungsversuchen der Verfassungsschützer zu seiner Agententätigkeit verpflichtet habe. Vor den insgesamt zehn Treffen mit seinem KGB-Führungsoffizier habe sich Lemke stets intensiv mit dem Verfassungsschutz beraten und anschließend ausführlich Bericht erstattet. Auch nach seiner „Abschaltung“ im Oktober 1973 habe sich Lemke noch sechsmal mit dem Hamburger Verfassungsschutz beraten, wie er auf mögliche weitere Kontaktaufnahmen oder Erpressungsversuche des KGB reagieren solle. Für seine dreijährige Agententätigkeit habe Lemke insgesamt knapp 10.000 Mark bekommen.

Zuletzt sei Lemke noch Anfang der 80er Jahre von dem übergelaufenen Stasi-Offizier Tiedge davor gewarnt worden, in die DDR zu reisen. Erst Mitte der 80er Jahre hatte sich der inzwischen prominente Werder-Manager wieder in den Osten getraut – zuerst auf eine Reise nach Moskau zu Verhandlungen über einen Spielerkauf. Der Bremer Vorsitzende der parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz, Peter Kudella, hat sich bisher geweigert, eine Ehrenerklärung für Willi Lemke abzugeben, da noch „weiterer Aufklärungsbedarf“ bestehe. Ase