■ Ein kleiner Rundgang über die Berliner Sexmesse
: Kürbisdildos für die Umweltfreundin

Berlin (taz) – Diskretion ist alles: Für Passanten war nicht zu erkennen, was die Herren in dezenten Anzügen und ihre gelegentlich etwas zu auffällig gekleideten Begleiterinnen am letzten Wochenende in die Kongreßhalle am Berliner Alexanderplatz führte. Im Eingangsbereich angebrachte Schilder, die Jugendlichen den Zugang verwehrten, machten erst recht neugierig, was die nach mittelständischen Unternehmern aussehenden Besucher anlockte. Nach Überwindung der Kasse dann die pralle, bunte, schlüpfrige Enthüllung: „Erotik 1994 – Die Fachmesse für den Sex-Shop-Handel“ bricht über den Besucher herein. Zur Linken Hunderte von Pornovideos mit von weiblichen und männlichen Geschlechtsteilen übersäten Fotohüllen, geradeaus ein Stand mit Unterwäsche, die an genau den Stellen, die es zu verdecken gilt, Löcher aufweist, und zur Rechten zwei aalglatte Vertretertypen, die einem Kunden die Vorzüge und Sicherheit ihrer Kondome anpreisen.

Schon jetzt dürfte jeder der päpstlichen Sexualmoral Verpflichtete entsetzt kehrtgemacht haben, aber es kommt noch besser: Auf zwei Etagen bieten über fünfzig Aussteller Artikel an, die trotz sexueller Revolution den meisten Menschen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Es dominieren die Stände der Videoproduzenten und -händler, die sich so passend-phantasievolle Namen wie „Heimfilmhandelsgesellschaft“ oder „Bison- Video“ geben. Die Filme („Gierig und schmierig“, „Die geile Betriebsfeier“, „Ärztinnen im Behandlungsrausch“ etc.), die gar nicht erst den Versuch machen, durch überflüssige Handlung vom Wesentlichen abzulenken, bieten von Heteros über Schwule und Lesben bis hin zu diversen ExzentrikerInnen für jeden etwas.

Wesentlich interessanter als die Rammelfilmchen ist da schon das Angebot an diversen Hilfsmitteln, wie etwa Kondome in endlosen Variationen: Der deutsch-national Gesinnte kann es endlich schwarz- rot-gold treiben, für Trucker gibt es das Lkw-Design, und Landwirte können sich mit dem Kuh-Kondom vergnügen. Der Dame des Hauses steht ein unüberschaubares Angebot an fleischfarbenen Glücksbringern zur Auswahl. Der sprechende (!) Vibrator dürfte unter High- Tech-Gesichtspunkten am interessantesten sein, während das „Bedsidekit for girls who want to have fun“ ein praktisches Fünferset dieser Gerätschaft darstellt.

Auch im Sexualtuningbereich gibt es einen Ökotrend, wie einer der Aussteller anhand seiner Produktpalette belegen kann. Mit seinen aus Afrika importierten Naturdildos stieß der findige Geschäftsmann offenbar in eine Marktlücke. Statt aus Plastik sind die Ökodildos aus einem nachwachsenden Rohstoff, nämlich aus Kalebassen, gefertigt. Schon seit Urzeiten als Wasserbehältnis genutzt, sollen die Flaschenkürbisse mit ihrem langen, dünnen Hals, der bei der hier verwendeten Sorte zudem eine starke Riffelung aufweist, von jeher auch zu anderen, intimeren Zwecken verwendet worden sein.

Weniger handfest, sondern vielmehr eine Frage des Glaubens sind die verschiedenen Sexualpräparate: Die „Spanische Fliege“ wird als Klassiker angepriesen, der einen unersättlichen Geschlechtstrieb auslösen soll, der „Liebeszucker“ mit „südamerikanischem Potenzholzextrakt“ sorgt angeblich für einen „Sexrausch wie bei den Naturvölkern“, und der unauffällige Schnüffel-Flacon lockt mit „Gewürzspeichergeruch“ Mädchen an. Was der Besuch der Sexmesse gebracht hat? Einmal mehr die Erkenntnis, daß man Menschen, wenn's um Sex geht, problemlos für blöd verkaufen kann. Joachim Hiller

Kontakt für den Ökodildo: L.M. Kartenvertrieb, Johann-Georg-Str. 7, 10709 Berlin, Tel.: 030/893 03 28.