Leukämie in Ellweiler

■ Gutachten zeigt Häufung nach jahrzehntelangem Uranabbau

Mainz (taz) – Entgegen den offiziellen Gutachten der Landesregierung von Rheinland-Pfalz ist von der Urananlage Ellweiler offenbar jahrzehntelang eine beträchtliche Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung der umliegenden Dörfer ausgegangen. Und die 1990 stillgelegte Anlage, in der seit den 50er Jahren Uran für Atomkraftwerke gewonnen wurde, gibt über ihre lediglich mit Kunststoff abgedeckten Abraumhalden nach wie vor radioaktive Strahlung ab.

Ein gestern vorgestelltes Gutachten des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin weist auf die erhöhte Leukämiegefahr in Ellweiler hin. „Es läßt sich nachweisen, daß es in der unmittelbaren Umgebung der Urananlage, d. H. in einem Umkreis von rund fünf Kilometern eine signifikant erhöhte Leukämierate bei Kindern und Jugendlichen gibt“, sagte Gutachter Wolfgang Hoffmann vor der Presse in Mainz. Sieben deutsche Kinder waren im Fünf-Kilometer-Radius von 1979 bis 1987 erkrankt, dazu zwei Kinder US-amerikanischer Soldaten, die auch mit dem Wasser aus einem kontaminierten Bach in Verbindung sein könnten. Das Risiko, an Leukämie zu erkranken, ist bei Ellweiler damit nach Hoffmanns Studie mehr als dreimal höher als in idyllischeren Landstrichen. Und Leukämie sei ein Indikator auch für andere Krebserkrankungen, die aber oft erst Jahre oder Jahrzehnte später zum Ausbruch kommen.

Die GutachterInnen stellten zudem bei sechs von zehn untersuchten Personen aus der Gegend von Ellweiler strahlenbedingte Erbgutveränderungen fest. Die Strahlenbelastung dürfte in erster Linie auf mit Radium verseuchtes Trinkwasser aus dem an den Abraumhalden vorbeifließenden Steinaubach zurückzuführen sein, meinten sie. Radium verhält sich im Körper wie Calcium und lagert sich in Knochen und Zähnen ab.

Während die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) die erhöhte Krebsrate als statistischen Zufall wertet und von „unverantwortlicher Panikmache“ spricht, verlangt Harald Dörr, umweltpolitischer Sprecher der Grünen in Rheinland- Pfalz, umfangreiche Sanierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung aller möglichen Übertragungswege, über die die Radioaktivität in die Umgebung abgegeben wird. Ende der achtziger Jahre, vor der Stillegung der Anlage, hatten Anwohner zeitweise Strahlenbelastungen gemessen, die beim 15fachen der zulässigen Höchstdosis liegen. Miriam Carbe