„Der Staat ist kein Papiertiger“

■ Hessens Innenministerium und LKA legen polizeiliche Kriminalstatistik vor

Wiesbaden (taz) – „Der Staat ist kein Papiertiger.“ Der hessische Innenminister Herbert Günther (SPD) freute sich gestern im Landeskriminalamt in Wiesbaden bei der Vorlage der polizeilichen Kriminalstatistik für 1993 darüber, daß die Aufklärungsquote bei Verbrechen in Hessen erstmals seit Jahren wieder die 42-Prozent- Marke überschritten habe. Damit sei der weitverbreitete „Irrtum“ eindrucksvoll widerlegt worden, wonach die Polizei der Kriminalitätsentwicklung in Deutschland hilflos gegenüberstehen würde, sagte Günther. Und ohne die Diebstahlsdelikte – fast zwei Drittel aller in Hessen registrierten Straftaten – läge die Aufklärungsquote sogar bei mehr als 70 Prozent.

Daß auch in Frankfurt/Main, der heimlichen Hauptstadt der Kriminalität in Deutschland, die Zahl der Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 1.131 auf 155.152 Fälle zurückging, führte Günther zum einen auf die „Zerschlagung der Drogenszene“ und zum anderen auf die verstärkte Polizeipräsens in der City zurück. Noch immer werden aber fast zwei Drittel aller Straftaten in Hessen im Regierungsbezirk Darmstadt – mit Frankfurt/Main – begangen. Doch andere Regionen „holen auf“: Mit einer Zunahme um 25,6 Prozent hat etwa die osthessische Bischofsstadt Fulda den höchsten Kriminalitätsanstieg aller hessischen Städte und Landkreise zu verzeichnen – nicht eingerechnet die Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Neonaziauftrieb im August 93 dort begangen wurden.

Die Kriminalstatistiker registrierten im vergangenen Jahr 644 sogenannte fremdenfeindliche Straftaten in Hessen: darunter 25 Körperverletzungen, 43 Brandstiftungen und 125 Bedrohungen oder Nötigungen. Auf die Aufklärungsquote bei den „fremdenfeindlichen Straftaten“ von nur 19 Prozent können Günther und LKA- Chef Klaus Timm allerdings alles andere als stolz sein. In zwölf Fällen haben Rassisten bei der Begehung ihrer Straftaten in Hessen auch Schußwaffen eingesetzt.

Nachdrücklich wiesen Günther und Timm darauf hin, daß der erneut gestiegene Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger nicht auf eine generell höhere Kriminalitätsrate bei Ausländern hinweise. Aussagekräftige Vergleiche könnten nur dann angestellt werden, wenn Straftaten von Illegalen, Durchreisenden, Touristen und Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte auch bei der Zählung der Tatverdächtigen unberücksichtigt blieben. Zum anderen erfolge eine „Verzerrung“ durch die Zählung von Straftaten, die (fast) ausschließlich von AusländerInnen begangen würden – etwa Verstöße gegen das Ausländer- und Asylverfahrensgesetz oder das Delikt der Paßfälschung. kpk