Ein Genuß des Miterlebens

■ Kunsthalle: Max Liebermanns Hamburg-Bilder waren vor hundert Jahren noch hart umkämpft

Das zweite Ereignis im Jubiläumsjahr der Hamburger Kunsthalle ist eine schöne Studioausstellung: Durch das mit wilhelminischen Prunk in alte Pracht verwandelte Treppenhaus sind die drei Räume mit Bildern der Hamburger Landschaft zwischen Alster und Elbe aus den Jahren 1890 und 1910 zu erreichen.

Die Ausstellung Max Liebermann in Hamburg rückt Bilder, die zum festen und berühmten Bestand der Kunsthalle gehören, in den gebührenden Zusammenhang. Über den Genuß an den impressionistischen Hamburgensien des zuende gehenden Jahrhunderts kommt der Einblick in Entstehung und Motivaufbau der Bilder. Zum Vergleich und einfühlenden Verständnis sind die Gemälde mit Pastellen und Zeichnungen zusammengehängt, ganz im Sinne des ersten Kunsthallen-Direktors Alfred Lichtwark: „... denn dem in Liebermanns Art nicht Eingeweihten erleichtern sie den Zugang, und dem Freunde seiner Kunst gewähren sie den Genuß des Miterlebens“.

Landhäuser an der Elbe, Polospieler im Jenischpark, die Terrassen und Aussicht vom Restaurant des Hotels Jacob in Nienstedten und die Boote am Uhlenhorster Fährhaus sind die Motivkreise, die der Berliner Maler bei seinen zahlreichen, wochenlangen sommerlichen Aufenthalten in Hamburg bearbeitet hat. Direktor Lichtwark, der durch den Hinweis des Berliner Museumsdirektors Wilhelm Bode auf den Maler aufmerksam geworden war, hatte 1890 Max Liebermann mit Arbeiten für die neue Sammlung von Bildern aus Hamburg beauftragt.

Die Idee dabei war, daß sich in vertrauten weil heimischen Motiven die zeitgenössische Malerei den Bürgern leichter annehmbar präsentieren sollte. Diesem fast 25 Jahre verfolgten Konzept verdankt Hamburg hiesige Motive von Lovis Corinth, Pierre Bonnard und Edouard Vuillard und eben die Bilder Liebermanns.

Am schwierigsten war der Prozeß, der 1909-1910 zum „Abend am Uhlenhorster Fährhaus“ führte. Die Kunsthalle besitzt die zweite Fassung des Motivs, die relativ modernste, verzichtet sie doch als einzige auf den vermittelnden Vordergrund. In der Ausstellung sind alle Fassungen zu vergleichen: das vorbereitende Pastell, das sich heute in Budapest befindet, die erste Ölskizze (heute Düren) und die dritte Fassung aus der Gemäldegalerie Dresden. Liebermann wollte den Motiven immer im wechselnden Licht so nah wie möglich sein. Er wohnte im Uhlenhorster Fährhaus oder im Hotel Jacob, um seinen Eindruck möglichst spontan ausdrücken zu können. Für die endgültige Komposition des Ölbildes aber blieb dann die Arbeit im Atelier entscheidend. Doch bei Unsicherheit über Bilddetails ging der Maler wieder vor die Landschaft: in das Hamburger Bild sind auch Bootsstudien vom Wannsee eingeflossen.

Die Härte der damaligen Kämpfe um den Stil der Malerei sind heute kaum mehr vorstellbar. Vor hundert Jahren waren Liebermanns „Netzflickerinnen“, die Lichtwark im Jahre 1889 als erstes naturalistisches Bild für die Kunsthalle gekauft hatte, provokativ. Das 1891 in Auftrag gegebene Porträt von Bürgermeister Petersen durfte 15 Jahre nicht gezeigt werden und der „französische“ impressionistische Touch der Stadtansichten stieß auf großen Widerstand. Der Kunsthallendirektor und die Künstler haben gemeinsam versucht, dagegen neue Kunst durchzusetzen. Hier öffnen sich Parallelen zu heute: nicht im Versinken in der schönen heilen Welt an Alster und Elbe, sondern im schwierigen Bemühen, aktuelle Sehweisen und Positionen zu vermitteln. Hajo Schiff

Hamburger Kunsthalle, Altbau, bis 17.April; Katalogbuch 16 Mark