Hafenstraße: Grenzenlose Phantasie

■ SPD für Verzicht auf Räumung / Hafenrand GmbH sowas von kooperativ Von Kai von Appen

Im Hamburger Rathaus scheint Vernunft einzukehren. Am späten Montagabend stellte sich die SPD-Bürgerschaftsfraktion hinter den Plan von Bürgermeister Henning Voscherau, die Hafenstraßenhäuser in St. Pauli vorerst nicht zu räumen. Statt dessen soll sich die Bürgerschaft mit dem Modellbau für die Freifläche befassen, den der Berliner Architekt Baller im Auftrage der HafenstraßenbewohnerInnen erarbeitet hat.

„Ohne Begeisterung, aber einvernehmlich“, so Fraktionschef Günter Elste, sei die Fraktion zu dem Schluß gekommen, den Senat nach dem Voscherau-Plan verfahren zu lassen. Der Senatsprimus hatte in der vorigen Woche vorgeschlagen, trotz des juristischen Persilscheins durch das Bundesverfassungsgericht auf eine Räumung zunächst zu verzichten, um das Verhalten der HafensträßlerInnen bei der geplanten Bebauung der Freifläche zwischen Häusern abzuwarten (taz berichtete).

Zunächst war es in der Fraktions-sitzung zu einem heftigen Disput gekommen. Teile der SPD-Rechten waren der Meinung, Voscheraus weiche Linie sei ohne Erfolgsaussichten, mit der Konsequenz, daß eventuell die erstrittenen Räumungstitel verfallen. Der SPD-Alt-Linke Jan Ehlers konnte jedoch die Fraktion davon überzeugen, daß der Voscherau-Plan eine Chance biete und nur eine unverbindliche Option auf Nicht-Räumung sei.

Elste zum Beschluß: „Dies ist ein Teilschritt. Man muß jetzt beobachten, was passiert, wenn außerhalb der östlichen Freifläche gebaut wird“.

Elste kündigte zugleich an, den am Donnerstag von der GAL-Fraktion eingebrachten Antrag auf ein sechswöchiges Bau-Moratorium abzulehnen. Statt dessen werde die SPD-Fraktion den Antrag einbringen, daß sich das Parlament mit dem Baller-Plan der HafensträßlerInnen auseinandersetzt. Dieser Plan sieht auf der Freifläche neben den Häusern Sozialwohnungen, eine Kindertagesstätte, ein öffentliches Badehaus sowie eine Stadtteil-Versammlungshalle vor.

Die Senatspressestelle gab sich gestern schweigsam. Sprecher Franz Josef Klein: „Das ist Sache der SPD-Fraktion. Der Bürgermeister hat seine Position vorgetragen“. Dennoch machen Spekulationen die Runde.

Denn letztlich wird der Senat über die Zukunft der Häusermeile entscheiden. Und wenn die Stadt die Baller-Pläne übernimmt, wäre erhebliches Konfliktpotential hinsichtlich der Freiflächen-Bebauung genommen.

Hafenrand GmbH-Boß Wolfgang Dirksen gab sich gegenüber der taz kooperativ: „Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, möglich ist alles“. Nach Auffassung Dirksens sei dies eine reine politische Entscheidung. Dirksen: „Es geht doch darum, daß etwas gebaut wird, was von möglichst vielen akzeptiert wird“.

Der Hafenrand GmbH-Chef könnte sich sogar später eine gemeinsame Trägerschaft zwischen GmbH und Genossenschaft vorstellen, weil ein Badehaus zwangsläufig defizitär betrieben würde. Dirksen: „Wir wären bei einem solchen Plan durchaus bereit, Fachwissen und unsere Ressourcen zur Verfügung zu stellen“.

Bei der Hafenstraßengenossenschaft hat die jüngste Entwicklung für Überraschung gesorgt. „Wir können heute noch keine Stellungnahme abgegeben“, so eine Genossenschaftlerin zur taz. Die Bewohner werden sich heute auf einem Plenum mit dem SPD-Beschluß befassen. Es wäre jedoch keine Überraschung, wenn sich die HafensträßlerInnen, sofern ihre Baupläne verwirklicht werden, mit einer solchen Lösung zufrieden geben könnten. Denn eines ist klar: Momentan ist die Genossenschaft nicht finanzkräftig genug, ihre Pläne ohne Fremdkapital zu realisieren.

Und dieses könnte nur vom Ex-FDP-Chef und Immobiliengiganten Robert Vogel kommen. Vogel zurückhaltend: „Ich kann im Moment dazu noch nichts sagen, weil ich nicht weiß, inwieweit die Baller-Pläne Berücksichtigung finden“. Für ihn sei der Baller-Plan „sehr interessant“, weil er neben den Sozialeinrichtungen sogar noch mehr Wohnungen als das städtische Konzept vorsehe. Der jetzige modifizierte Plan der Stadt könne nämlich dazu führen, daß die Hafenstraßenhäuser in zwei Jahren aus städtebaulichen Gründen erneut zur Disposition gestellt werden. Vogel: „Für mich ist entscheidend, daß der Bestand der Altbauten nicht später gefährdet ist.“

Vogels Appell: „Alle sollten sich jetzt Voscheraus Plan anschließen und nicht immer wieder Wasser auf die Mühlenräder gießen“.