Sternstunde für rechte Justizbeamte

■ Linke SPDler kritisieren Nominierung von Peschel-Gutzeit als Justizsenatorin, weil sie keine Kennerin der Szene ist

Die bevorstehende Ernennung der 61jährigen Hamburgerin Lore Maria Peschel-Gutzeit zur Nachfolgerin von Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) hat in den juristischen Fachkreisen der SPD einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Eine von auswärts kommende Person mit diesem Posten zu betrauen sei eine „verheerende Fehlentscheidung“ angesichts der Fülle von Problemen in der Berliner Justiz, schimpfen die Kritiker. „Eine Berliner Lösung und eine stärkere Beteiligung der Partei wäre erforderlich gewesen“, so der amtierende Vorsitzende des Fachausschusses Justiz und Inneres, Klaus Eisenreich, der sich als einziger namentlich zitieren lassen wollte.

Die Vorsitzende Richterin des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Peschel-Gutzeit (SPD), war von 1991 bis 1993 in Hamburg Justizsenatorin, mußte aber der Statt Partei weichen. Die Kritiker aus dem linken Flügel der Berliner SPD sprechen ihr nicht ab, eine fähige Juristin zu sein. Allerdings bezweifeln sie, daß eine ortsunkundige Person frischen Wind in die „konservativ übersäuerte Justizpolitik“ bringen kann. Die „überfälligen Aufräumarbeiten“ in der Justizverwaltung und Staatsanwaltschaft könne nur ein Kenner der Szene vornehmen, weil dort überall „Fußangeln“ ausgelegt seien. Peschel-Gutzeit hingegen werde mindestens ein halbes Jahr brauchen, bis sie die Strukturen der 10.000 Mitarbeiter umfassenden Verwaltung halbwegs kennengelernt habe. Dabei werde sie ausgerechnet von Leuten informiert, die eine Wende in der Justizpolitik blockierten. Namentlich nannten die Kritiker Limbachs Staatssekretär Detlef Borrmann, ein „lieber, aber gänzlich unfähiger Mann für dieses Amt“, und den Leiter der Abteilung Strafvollzug, Christoph Flügge, der „früher ein guter Richter war, jedoch zu einem absoluten Verwaltungssklaven verkommen“ sei. Auch um die Staatsanwaltschaft wieder unter Kontrolle zu bekommen, „hätte man einen Falken gebraucht, der im Hof für Ordnung sorgt, indem er die senilen Hähne und Hennen schlägt“. Die Berufung von Peschel-Gutzeit sei eine „Sternstunde“ für die Verwaltung: „Die tricksen die doch aus.“

Der Fraktionschef der SPD, Ditmar Staffelt, vertrat dagegen gestern bei der offiziellen Vorstellung der Kandidatin vor der Presse seinen Vorschlag. Der Bundeshauptstadt stünde es an, „gute Köpfe“ über die Stadtgrenzen hinaus zu suchen. Peschel-Gutzeit sei als Persönlichkeit „unumstritten“. Sein Vorschlag war gestern vom geschäftsführenden Landesvorstand und dem Fraktionsvorstand einstimmig angenommen worden.

Die Hamburgerin sagte zur Großen Koalition, daß sie mit dieser politischen Konstellation keine Erfahrungen habe. Limbach habe sie aber ermutigt. Auch mit der CDU seien liberale Vorstellungen durchsetzbar. Ob es mit ihr zu Lockerungen im Strafvollzug kommen wird, wollte sie nicht sagen. Sie will sich auf jeden Fall für kürzere Gerichtsverfahren einsetzen.

Als „überzeugte Hanseatin“ wäre sie außer nach Berlin in keine andere Stadt gegangen, sagte die Mutter von drei erwachsenen Kindern. Die Bekämpfung von Regierungs- und Vereinigungskriminalität seien „Aufgaben, die sich so nur in Berlin stellen“. Weil sie etwas bewirken wolle, wäre sie erfreut, wenn sie nach den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 1995 die Senatsarbeit fortsetzen könnte.

Am 24. März soll das Abgeordnetenhaus auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters die Kandidatin zur Senatorin wählen. Voraussetzung ist, daß Limbach bis dahin Verfassungsrichterin ist. Plutonia Plarre/Dirk Wildt