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■ Bordell-Verordnung: Das Geschäft boomt in Neu-UlmProteste der Bürger blieben zwecklos

Neu-Ulm (taz) – Am 18. Mai 1993 war in Neu-Ulm die Welt noch in Ordnung, weitgehend zumindest. Da hatte die Donau-Stadt noch 49.999 Einwohner. Aber am 19. Mai geschah es dann: Gleich acht Geburten und Zugezogene am Mittwoch, und da waren es plötzlich 50.007 Bewohner. Damit war es um die öffentliche Moral geschehen. Denn der ansonsten im nicht gerade kinderreichen Deutschland begehrte Geburtenzuwachs kam den Neu-Ulmern völlig ungelegen. Ab 50.000 Einwohner muß nämlich laut einer Regelung im Strafgesetzbuch die Prostitution offiziell erlaubt, müssen Sperrbezirke ausgewiesen werden. Ab gestern, den 1. März, wird also in Neu-Ulm offiziell betrieben, was sich die letzten Jahre über heimlich auf dem Straßenstrich abspielte. Die Regierung von Schwaben hat die „Sperrbezirksverordnung für die Stadt Neu-Ulm“ erlassen und in ihrem Amtsblatt veröffentlicht. Und sie hat sich damit eine Menge Ärger eingehandelt. Denn anders als vor einigen Jahren noch in Kempten, wo auch die 50.000-Einwohner-Grenze überschritten wurde, liefen einige Stadträte und viele Anwohner Sturm.

Es hat nichts genützt, den Anwohnern nicht und dem SPD-Sprecher im Stadtrat nicht, der „keine Beihilfe zur gewerblichen Unzucht“ leisten und sich vor allem nicht durch seine Zustimmung „zum Zuhälter machen lassen“ wollte. Jürgen Marzahn, dem Pressesprecher der Regierung von Schwaben, platzte irgendwann einmal der Kragen. In einem Leserbrief an die Lokalzeitung setzte er sich gegen so manche Attacke zur Wehr. Die Regierung, so schrieb er, habe in den Vorgesprächen mit der Stadtverwaltung „nicht etwa mehr Betätigungsfelder für die Prostitution gewünscht, sondern deren unauffällige Verteilung im Stadtgebiet“. Diese Verteilung ist auch so einigermaßen gelungen. Sechs Bezirke in der Stadt sind nun frei für die Freier. Und es boomt im ältesten Gewerbe der Welt. Von überallher kommen die Anfragen ans Ordnungsamt. Dabei werden nach dem Inkrafttreten der Sperrbezirksverordnung noch weit mehr Anträge erwartet.

Im benachbarten Ulm, wo seit langem drei Freudenhäuser ganz legal betrieben werden, schüttelt man über die Neu-Ulmer Aufregungen nur den Kopf. Aber ganz vergeblich war für einige Neu-Ulmer der „Anti-Puff-Protest“ nicht. Die ursprünglich ebenfalls geplanten Freibezirke in den Ortsteilen Pfuhl und Ludwigsfeld wurden von der Regierung wieder gestrichen. Den trotzdem noch betroffenen Donau-Städtern bleibt jetzt nur noch der Weg aus Neu-Ulm. Damit vielleicht die 50.000-Einwohner-Grenze doch wieder unterschritten wird. Klaus Wittmann

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