In aller Stille Von Klaudia Brunst

Sie habe die Schnauze gestrichen voll von ihrem Erziehungsurlaub, moserte neulich meine Freundin. Nicht nur der Kater, auch der Hund sei doch inzwischen aus dem Gröbsten raus, meinte sie, und daß sie berufsmäßig keinesfalls den Anschluß verlieren wolle. „Du hast es gut“, schnaubte sie, „kommst erst nach Hause, wenn die Tiere schon im Körbchen liegen. Ich habe tagsüber die ganze Arbeit, und abends können wir nicht mal ins Kino gehen.“ Ich mußte einsehen, daß sie recht hatte. So konnte es nicht weitergehen. Aber der kleine Hund schätzt unsere partielle Abwesenheit nicht sonderlich. Schon wenn wir die Badezimmertür hinter uns zuschließen, stimmt er ein ohrenbetäubendes Bellen an. „Wir müssen ihn langsam an die Sache heranführen“, meinte meine Freundin, „erst mal versuchen wir, abends für ein paar Stunden das Haus zu verlassen.“ Die Karten fürs Kino hatte sie schon besorgt.

Es war ein wirklich schöner Abend, den wir mit einem kleinen Spaziergang am Landwehrkanal ausklingen ließen. „Auch mal ganz schön ohne Hund“, fand meine Freundin. Als wir allerdings gegen Mitternacht nach Hause kamen, erwartete uns schon unsere Nachbarin im Flur. So ginge das aber nicht, schnaubte sie und steckte die Ohropax in ihren Morgenmantel.

Schuldbewußt probierten wir es in der nächsten Woche mit noch kleineren Lerneinheiten, gingen zwar gelegentlich kurz vor die Tür, rasten aber, sobald der Hund seinen Protest kundtat, zurück und schimpften ihn aus. So stand es im Handbuch. Und wirklich, bald konnten wir das Haus für eine Viertelstunde ohne Theater verlassen. Es war uns sogar wieder möglich, an unseren Doppelkopfrunden teilzunehmen. Eine Freundin hatte uns netterweise ihr altes Babyphone überlassen.

Aber erstaunlicherweise war es den ganzen Abend über ruhig. Der Hund hatte die Nacht wohl selig schlafend in seinem Körbchen verbracht, denn als wir nach Hause kamen, begrüßte er uns im Flur deutlich schlaftrunken, wenn auch zuvorkommend. Unsere lobenden Zärtlichkeiten nahm er mit gesenktem Kopf entgegen. „Ich glaube, er schämt sich direkt etwas, daß er uns das Leben so lange so schwer gemacht hat“, meinte meine Freundin. „Ich glaube, er schämt sich eher, weil er uns das Leben immer noch schwer macht“, erwiderte ich mit matter Stimme. Ich hatte soeben das Wohnzimmer betreten. Es sah aus, als habe jemand dringend etwas gesucht. Schokolade zum Beispiel.

Die Indizien waren erdrückend. Der Hund hatte sich während unserer Abwesenheit in aller Stille der Bücher, des Emma-Jahresbandes 1991 und einer 400-Gramm- Schachtel „Merci“ angenommen. Mein Zeitungsarchiv waren sorgsam in lorbeerblattgroße Einheiten zerlegt und über den Teppich verteilt. Kein schöner Anblick.

Enttäuscht zerknüllte meine Freundin das schon ausgefüllte Formular für ihr Stellungsgesuch, als sie plötzlich auf der Rückseite eine kleine Annonce entdeckte: „Eigeninitiativ-Kita für Hunde“, stand da, „Vollverpflegung mit Produkten aus biologischem Anbau, Vorschulerziehung für Schlitten- und Gebrauchshunde. Mit großem Spielplatz nach EG- Norm.“ Die Sache hat nur einen Haken. Der Hort schließt mittags schon um 11.30 Uhr. Eine Zumutung für erwerbstätige Mütter.