Lausitzkohle nach Westen

Energiewirtschaft Ost an RWE & CO verkauft  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Die Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) bringt schweres Gerät auf den Weg. Seit gestern sind in Südbrandenburg die Kolosse los. Drei Eimerkettenbagger und zwei Schaufelradbagger rollen 300 Meter pro Schicht vom Tagebau Klettwitz-Nord zum Tagebau Welzow-Süd. Der Konvoi ist 520 Meter lang und 50 Meter breit. Wenn er im Juli am Ziel eintrifft, wird er 219 Hindernisse überquert haben.

Dieser Landgang der Giganten steht sinnbildlich für den langen Weg der ostdeutschen Energiewirtschaft auf den freien Markt. Mit der am Montag während der Wirtschaftsrunde im Kanzleramt verkündeten Privatisierung der Laubag und des Stromverbundunternehmens Veag scheinen die letzten Hindernisse dafür aus dem Weg geräumt.

Doch die Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg fühlen sich überfahren. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) feierte in Bonn die Privatisierung als „Durchbruch im Energiebereich“. Dabei wollten Sachsen, Brandenburg und eventuell auch andere Länder sich eigentlich mit Kapital beteiligen, um ihren Einfluß auf die Energiepolitik zu behalten. Die Rede ist von 25 Prozent. Dafür ist es jetzt vielleicht zu spät. Die Stromkonzerne jedenfalls meinen, daß einige Länder- Sitze im Aufsichtsrat völlig ausreichen.

Der Bundeskanzler will diesen Konflikt bis Ende März gelöst haben. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl zufolge würde Kohl sich notfalls auch als Moderator zur Verfügung stellen.

Altlast Stromvertrag

Der Verkauf der ostdeutschen Stromwirtschaft „von der Erzeugung bis zur Steckdose“ an die Westmonopole war schon 1990 zwischen der Treuhand und der ersten freigewählten DDR-Regierung im „Stromvertrag“ vereinbart worden.

Nun ist das Geschäft perfekt. Die Laubag geht für 2,1 Milliarden Mark an ein Konsortium unter Führung von Rheinbraun; die Veag für rund 8 Milliarden Mark an das Dreigespann RWE, PreussenElektra und Bayernwerk. Die Preise sind aufgeteilt in einen sofort zu zahlenden Festbetrag und in Raten, die je nach Kohle- und Stromabsatz über 20 Jahre abgestottert werden sollen.

Ein lohnendes Geschäft: Der Nominalwert von Veag und Laubag wird mit 20 Milliarden Mark beziffert. RWE-Vorstandschef Friedhelm Gieske verspricht dem Lausitzer Revier für die nächsten 20 Jahre Investitionen in Höhe von 6 Milliarden Mark. Davon soll „ein großer Teil“ in Umweltschutz und Modernisierungsmaßnahmen fließen. Die Zukunft der Braunkohle liege allein in der Verstromung. Dafür mahnte der RWE-Chef „politische Unterstützung“ an.

Wie so eine Unterstützung aussehen könnte, hat Sachsen kürzlich vorgeführt. Als die Veag ihr Versprechen, im Kraftwerk Boxberg zwei 800-Megawatt-Blöcke zu bauen, mit dem Hinweis auf sinkenden Stromabsatz demonstrativ in Frage gestellt hatte, pochte Ministerpräsident Biedenkopf nicht nur auf die Investition.

Er kündigte gleichzeitig eine harte Linie bei der Genehmigung von Stadtwerken an und forderte von den Kommunen, auf selbsterzeugte Energie zu verzichten, statt dessen die „ökologisch und ökonomisch besser“ erzeugte aus Großkraftwerken zu beziehen. Im Veag-Vorstand fiel mit Hinweis auf die Stadtwerke-Konkurrenz die Entscheidung, den zweiten Block zwar zu bauen, aber erst ab 1996.

Auch Länder kämpfen nicht für Stadtwerke

An der großen Linie gegen kleine Erzeuger würde auch die von der Bundes-SPD unterstützte Landesbeteiligung nichts ändern. Das SPD-Präsidium möchte lediglich, daß eine ostdeutsche Energie-Holding mit Sitz und Stimme für Länder und Kommunen entsteht.

Die sächsische Fraktion Bündnis 90/ Grüne wendet sich gegen solche Pläne. Sie fordert den Ausstieg aus der Braunkohle in den nächsten 30 Jahren und einen „strukturellen Umbau der Energiewirtschaft, die auf Energieeinsparung ausgerichtet ist.“ In der Lausitz könnten so „langfristig sichere, zukunftsorientierte Arbeitsplätze“ geschaffen werden.

Die Zeiten, da die Lausitz wirtschaftlich von der Kohle getragen wurde, sind ohnehin vorbei. 1990 waren in der Lausitzer Braunkohle fast 52.000 Menschen beschäftigt. Heute sind es noch 20.000. Nach Angaben der Rheinbraun AG sollen die wettbewerbsfähigen Teile der Laubag in einer neuen Gesellschaft zusammengefaßt werden, mit zunächst 12.000 Arbeitsplätzen. Ab dem Jahr 2000 werden nur noch 8.000 Beschäftigte abbauen. 8.000 Kumpel sollen sich mit den Altlasten befassen, bis sie irgendwann selbst „Altlast“, sprich arbeitslos sind. Fünf Laubag-Tagebaue sollen über das Jahr 2.000 hinaus betrieben werden.

Enttäuscht von der Arbeitsplatzprognose zeigte sich Gesamtbetriebsratsmitglied Frank Oertel. Solange verhandelt wurde, war noch von 14.500 Kumpeln für die Abbau-Gesellschaft die Rede. Vor ganzen Betriebsteilen stehe die Frage, welchem der beiden Laubag-Bruchstücke sie zugeteilt werden.