Töpfer will Biblis für die RWE retten

Töpfer weist Joschka Fischer an, den Block 1 des AKW Biblis nicht ohne vorherige Zustimmung aus Bonn stillzulegen / Bedenken wegen mangelnder Erdbebensicherheit ignoriert  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – Wenn der hessische Umweltminister Joschka Fischer (Bündnis 90/ Die Grünen) könnte, wie er wollte, würde es in Deutschland auf Dauer einen atomaren Altmeiler weniger am Netz geben. Der Landesminister stellte gestern um 12 Uhr in Wiesbaden seine nach Paragraph 19.3 Atomgesetz konzipierte Anordnung auf einstweilige Stillegung von Block A des AKW Biblis vor – doch zwei Stunden zuvor hatte Bundesumweltminister Klaus Töpfer per Fax sein Veto eingelegt.

„Unverantwortlich“ nannte Fischer die Weisung aus dem Bundesumweltministerium, mit der Töpfer die von seinem Parteifreund Karlheinz Weimar 1991 erkannten Sicherheitsdefizite des zweitältesten Reaktors der Republik schlicht ignoriere. Denn die 49 Auflagen, die Weimar als hessischer Umweltminister dem RWE zur Herstellung der Betriebssicherheit von Biblis A erteilte, seien auch nach Ablauf der von Weimar festgesetzten Dreijahresfrist „zum größten Teil nicht umgesetzt“.

Im Detail nannte Fischer den nicht ausreichenden Brandschutz im Rangierverteilerraum, die fehlende Erdbebensicherheit für wichtige Komponenten der Kühlung des Reaktors und die mögliche Brand- und Explosionsgefahr im Sicherheitsbehälter bei einem Kühlmittelverluststörfall. Mit seiner Weisung, so Fischer weiter, übernehme Töpfer die volle politische, rechtliche und sicherheitstechnische Verantwortung für den Betrieb von Biblis A.

Zwar haben auch die vom Bundesumweltministerium bestellten Gutachter von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit die Sicherheitsdefizite nicht geleugnet. Doch die Umsetzung der 49 Weimarschen Anordnungen, so der Bonner Schluß, habe in einer angemessenen Frist zu erfolgen. In seinem Bescheid hatte Weimar „aufgrund der sicherheitstechnischen Bedeutung der Anordnungen“ eine Frist von drei Jahren (Ablauf 2/94) für angemessen erachtet. Bis heute habe Töpfer keine neue Frist benannt, klagte Fischer, der mutmaßte, daß vor der Festsetzung einer neuen Frist wohl der RWE- Vorstand in Essen konsultiert werde, frei nach dem Motto: „Die RWE sollen selbst entscheiden.“

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) richtete gestern einen dringenden Appell an Töpfer, seine Weisung an Fischer zurückzuziehen. Auch Töpfer trage Verantwortung für die Sicherheit der Menschen im Rhein-Main-Gebiet. Und deshalb könne es der Minister nicht zulassen, daß ein wegen Revison ohnehin stillgelegtes Atomkraftwerk, das weder gegen den „Lastfall Erdbeben“ noch gegen den Absturz etwa einer Phantom gesichert sei, wieder ans Netz gehe. Auch das Anti-Atom-Büro Frankfurt/Main forderte „im Namen von fünf Millionen AtomkraftgegnerInnen“ die endgültige Stillegung von Biblis A. Ein Regionalplenum „Hessen Baden gegen Atomanlagen“ hat für kommenden Sonnabend eine Demonstration vor der hessischen Staatskanzlei angekündigt (11 Uhr, Mauritiusplatz).