Serbenführer Karadžić sagt Öffnung von Tuzla zu

■ Einigung in Moskau / Russische Blauhelme sollen Vereinbarung absichern / Weiterhin Unklarheit über Herkunft der abgeschossenen Kampfflugzeuge

Genf/Belgrad (taz) – Wieder gab Radovan Karadžić einer UN- Forderung erst nach, als Gewalt angewandt worden war: In Moskau, wo er seit Montag abend zu Gesprächen weilt, sagte der selbsternannte „Präsident“ der bosnischen Serben gestern nachmittag die Öffnung des Flughafens der nordbosnischen Stadt Tuzla zu. Sowohl Karadžićs Verhandlungspartner, der russische Außenminister Andrej Kosyrew, als auch der „Präsident“ bezeichneten die Verhandlungen als „schwierig“. Wie schon nach den Drohungen der Nato, Luftangriffe auf schwere Waffen der Armee der bosnischen Serben bei Sarajevo zu fliegen, konnte sich Karadžić offenbar erst unter dem Eindruck des Abschusses von vier vermutlich serbischen Kampfflugzeugen am Montag morgen zu dem Schritt durchringen.

Gemäß der Übereinkunft soll zu den UN-Schutztruppen (Unprofor), die den Flughafen überwachen und seine ausschließliche Nutzung durch UNO-Hilfsflugzeuge sicherstellen, ein starkes Kontingent russischer Soldaten gehören. Karadžić äußerte sich zunächst nicht dazu, wann die Öffnung erfolgen werde. Unklar blieb auch, ob die serbischen Artilleriestellungen abgezogen oder der Kontrolle der Unprofor unterstellt werden würden. Die Vereinten Nationen hatten die Öffnung des Flughafens ab kommendem Montag angekündigt.

In der Nato mehren sich derweil die Stimmen für ein militärisches Eingreifen, sollten Hilfsflugzeuge oder Unprofor in Tuzla angegriffen werden. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) in Genf hofft, über den Flughafen mehr als 1,5 Millionen Menschen versorgen zu können, die seit Monaten von jeglicher Hilfe abgeschnitten sind. Die nach dem Abschuß der vier vermutlich serbischen Kampfflugzeuge am Montag morgen aus „Sicherheitsgründen“ unterbrochenen Hilfsflüge nach Sarajevo sowie die Landtransporte durch serbisch kontrollierte Gebiete nahm das UNHCR gestern wieder auf.

Die unter Vermittlung der Clinton-Administration geführten Washingtoner Verhandlungen zwischen dem bosnischen Premier Haris Silajdžić, Kroatiens Außenminister Mate Granić und Vertretern der bosnischen Kroaten wurden gestern um einen Tag verlängert. Clintons Bosnien-Beauftragter Redman wertete dies als „ermutigendes Zeichen“. Die am Samstag begonnenen Verhandlungen seien bislang „produktiv“ gewesen. Sie konzentrierten sich auf das Modell eines kroatisch-muslimischen Staates in Bosnien und dessen Verbindungen zu Kroatien.

Falls erforderlich, werde US- Außenminister Warren Christopher auch direkt in die Verhandlungen eingreifen, erklärte Redman. Über den bisherigen Verhandlungsverlauf habe er seinen russischen Counterpart, Vizeaußenminister Witalij Tschurkin, informiert. Der russische Generalstabschef Kolesnikow hatte die US-Initiative am Wochenende als „illegal“ verurteilt und den Serben empfohlen, sie abzulehnen. Auch das aus Serbien und Montenegro bestehende Rest-Jugoslawien lehnt die muslimisch-kroatische Föderation ab. – Die Nato hat sich bisher nicht abschließend zur Identität der am Montag nahe Banja Luka abgeschossenen vier Kampfflugzeuge geäußert. Zwar gilt als wahrscheinlich, daß es sich um Maschinen der bosnischen Serben handelte. Selbst deren „Präsident“ wollte dies gestern nicht mehr völlig ausschließen. Theoretisch möglich ist aber auch, daß die Maschinen vom Typ „Jastreb J-1“ (Habicht) von Flughäfen in Serbien oder der serbisch besetzten Krajina in Kroatien aufgestiegen waren. In der serbischen Hauptstadt Belgrad hielt sich auch gestern das Gerücht, die „Habichte“ seien von den bosnischen Serben an die kroatische Miliz HVO ausgeliehen worden – eine Art stillschweigende Zusammenarbeit gegen den gemeinsamen Feind, die bosnischen Muslime. Bei den Kämpfen um Novi Travnik, Bugojno, Vareš, und Zepče, in deren Nähe die Flugzeuge im Einsatz waren, sind ausschließlich bosnische und kroatische Streitkräfte im Einsatz. azu/thür