„Wie ein guter Deutscher handeln“

■ Kommentarlos und präzise: Leo Lippmann dokumentiert die Geschichte der Hamburger jüdischen Gemeinde von 1935 bis 45

„Am 31. Dezember 1942 betrug die Zahl der noch in Hamburg befindlichen Juden 1805, davon 896 männlichen und 909 weiblichen Geschlechts. 250 dieser 1805 Juden lebten in nicht privilegierter Mischehe, 911 in privilegierter Mischehe, 171 hatten früher in privilegierter - jetzt aufgelöster - Mischehe gelebt. Die Judenkennzeichen hatten 718 Personen in Hamburg zu tragen.“ Sachlich und präzise präsentiert Leo Lippmann seine bürokratische Version der Geschichte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg von 1935 bis 1942. Zum 50. Todestag des ehemaligen jüdischen Staatsrates der Hamburger Finanzbehörde ist jetzt die Dokumentation „...daß ich wie ein guter Deutscher empfinde und handele“ erschienen, herausgegeben von der Hamburger Finanzbehörde.

Leo Lippmann, der 1933 den Staatsdienst verlassen mußte, hatte sich daraufhin der Hamburger Deutsch-Israelitischen Gemeinde „zur Verfügung gestellt“, zu deren stellvertretendem Vorsitzenden er 1935 gewählt wurde. Ganz der pflichtbewußte deutsche Verwaltungsbeamte, archivierte er von nun an die Finanzgeschäfte der langsam sterbenden Gemeinde. Notierte, immer korrekt und ohne Kommentar, die stetig schwindende Zahl der Mitglieder oder die Kosten, die die Nazis der Gemeinde für die „Evacuierung“ (die Nazi-Umschreibungen für die Deportationen) der eigenen Mitglieder in Rechnung stellte. Am 11. Juni 1943 sollten auch Leo Lippmann und seine Frau Josephine ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden. Am Vorabend dieses Tages nahmen sie sich das Leben.

Lippmann hatte seine Berichte, entgegen einer Reichsanordnung, nach der alle jüdischen Archive in Berlin gesammelt werden sollten, in Hamburg behalten. Die zerfledderten Originale lagerten lange Zeit unbeachtet in den Bibliotheksräumen der Uni, bis sie Ina Lorenz, die stellvertretende Leiterin des Hamburger Instituts für jüdische Geschichte, für eine Vorlesung im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte aus ihrem Schattendasein befreite. Die Betroffenheit der Studenten war für die Dozentin der Anlaß, die Berichte mit einer erklärenden Einführung zu veröffentlichen. Katrin Wienefeld

Leo Lippmann: „... daß ich wie ein guter Deutscher empfinde und handele“, Dölling und Galitz Verlag, 24,80 Mark.