"Kliniken rauben sich gegenseitig aus"

■ Streitgespräch zwischen dem Mediziner Klaus Hierholzer und dem Politiker Bernd Köppl: In einer Medizinischen Hochschule ist Schluß mit dem Plündern, glaubt Hierholzer / Schluß mit dem Bettenabbau ...

Mit einer „Elefantenhochzeit“ will die CDU Geld sparen. Die Universitätskliniken „Rudolf Virchow“ und Charité sollen aus Kostengründen künftig beide der Humboldt-Universität angehören – als „eigenständige Fachbereiche“.

Dabei sollen die beiden Großkrankenhäuser ein Drittel ihrer insgesamt rund 3.000 Betten einsparen und doppelte Fachgebiete abbauen. Der Physiotherapeut Klaus Hierholzer setzt dagegen auf eine Vereinigung aller drei Kliniken zu einer großen „Medizinischen Hochschule“.

taz: Herr Hierholzer, was versprechen Sie sich von einer Medizinischen Hochschule?

Klaus Hierholzer: Es gibt in Berlin drei gewachsene Kliniken – die Charité, das Klinikum Steglitz (UKS) und das neu bezogene Klinikum Rudolf Virchow, die miteinander um den Topf des Steuerzahlers wetteifern. Ich halte es, wenn eine so kritische Finanzisituation herrscht, für besser, man vereinigt die drei. Der Vorteil wäre: Man hätte drei Kliniken mitsamt den dazugehörigen Vorkliniken, die einer Institution angehören, und sich nicht dauernd gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben.

Bernd Köppl: Das ist eine Art Notoperation, um die universitäre Medizin zu retten, geboren aus der Finanzklemme von Berlin und unter Druck der Krankenkassen entstanden. Ich befürchte, daß dabei wesentliche Elemente über Bord geworfen werden.

Erstens daß jedes Klinikum eine eigene Geschichte hat, eigene Stärken, die man weiterentwickeln kann – eine Art medizinisches Profil. Zweitens würde ein gigantisches Großklinikum entstehen. Schon heute sind Kliniken in der Größe von 1.350 Betten sehr schwer organisatorisch zu überwachen und zu steuern – das Rudolf- Virchow hat einen Gesamtumsatz von rund einer halben Milliarde Mark und knapp 5.000 Beschäftigte.

Hierholzer: Die Situation gleicht jetzt einem Auffahrunfall auf der Autobahn: Vorne ist ein Stopp wegen des Sparzwanges – und wir fahren auf. Wenn wir nicht aufpassen, bleibt Schrott liegen. Die kaputten Autos fahren nicht wieder los, wenn in fünf Jahren das Hindernis weg sein wird. Verbinden Sie aber die drei Kliniken, dann haben Sie bestimmte Institute nur einmal – etwa mit zwei Außenstellen an der Charité und am Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Dort fänden Lehre und ärztliche Beratung statt – die Forschung aber zum Beispiel nur hier am Klinikum Steglitz. Und wenn wieder mal Geld da ist, dann bauen Sie die Außenstellen wieder aus.

Im Professorenvorschlag steht, „die Berliner Unimedizin wird kleiner werden müssen“. Gibt man damit nicht dem Geldargument zu sehr nach?

Köppl: Ich gehe davon aus, daß die Universitätsmedizin ihr Einsparsoll bereits vollbracht hat. Wir haben 4.050 universitäre Betten. Das gibt – nur auf Berlin bezogen – einen Schlüssel von 11,9 Uni-Betten je 10.000 Einwohner. Nimmt man aber Brandenburg hinzu, dann liegen wir bei einem Schnitt von 6,8 Betten – und damit exakt im Schnitt der Flächenstaaten. Der Vorwurf der Kassen, Berlin halte zu viele Betten, ist also falsch. Allein die Charité hat 600 Betten abgebaut.

Das Problem liegt doch eher in der mangelhaften wissenschaftlichen Kooperation. Die Professoren verwalten ihre Einrichtungen wie Fürstentümer – mit der unangenehmen Begleiterscheinung, daß die Kliniken versuchen, sich gegenseitig auszurauben.

Das greift der Hierholzer-Vorschlag doch genau auf: Er fordert, sich nicht als Fürstentümer gegenüberzustehen, sondern gemeinsam und verbindlich zu handeln.

Köppl: Die Universitäten haben bislang diese Kooperation nicht geleistet. Der Senatskompromiß sah ursprünglich vor, bestimmte Institute nur einmal und in der Transplantationsmedizin auch nicht alles dreifach anzubieten. Aber hier knirscht es gewaltig. Hier müßte es zum Beispiel möglich sein, daß es der Charité erlaubt wird, in eine Kooperation mit dem Herzzentrum zu kommen. Damit auch die Charité Herzen transplantieren kann und die begleitende immunologische Forschung treiben kann.

Hierholzer: Bei den Betten bin ich Ihrer Meinung – einmal abgesehen von den Fächern, wo man ambulant operieren, wo man entmedikalisieren kann. Aber weil Sie die Transplantation ansprechen: Eine einheitliche Hochschule hat auch da einen Vorteil. Es hieße dann: Diese Hochschule transplantiert. Wenn Sie aber derzeit hier im UKS Abteilungsleiter der Chirurgie sind oder Anästhesist (Narkosearzt), dann haben Ihre Assistenten nie etwas mit Transplantationen zu tun, sie sind also alle schmalbrüstig.

Köppl: Das läßt sich alles über Kooperations- und Austauschprogramme zwischen den Hochschulen regeln.

Hierholzer: Nein, nein, nein. Herr Köppl, es hat doch keinen Sinn, hier idealistisch traumzutanzen. Was spricht denn gegen ein einheitliches Steuergremium? Das würde einen Ausbildungsstandort festlegen und sagen: Jeder Anästhesiologe geht ein halbes Jahr ins Herzzentrum rauf, Punkt. Das ist doch in einer Hochschule einfacher zu regeln.

Köppl: Ich bin doch in meiner Ausbildung an einem städtischen Krankenhaus auch ins Herzzentrum geschickt worden. Das ist überhaupt kein Problem. Ich gebe zu, daß eine einheitliche Hochschule eine erzwungene Kooperation und leichter durchsetzbar wäre. Die Nachteile, die wir uns durch diesen einen Vorteil einhandeln, sind gravierender.

Hierholzer: Welche sind das?

Köppl: Es ist eine Mammuteinrichtung. Es findet eine Herauslösung aus der allgemeinen Uni statt. Damit verlieren Sie die Campusanbindung, den zwar lockeren Zusammenhang mit den Natur- und Geisteswissenschaften. Und es reagiert auf einen Krisenzustand von außen, den ich in den Universitäten gelöst haben will. Ich verlange, daß dieses traditionelle Fürstendenken aufhört. Interview: Christian Füller