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: Militärgeheimnisse

Wien (taz) – Der Erlaß des albanischen Verteidigungsministeriums war knapp gehalten: Von Januar an ist Soldaten das Waffentragen außerhalb von Kasernen untersagt. Ein Dekret, so könnte man meinen, über das die Bürger des Landes gerne informiert wären. Doch die Regierung in Tirana sieht es anders. Aufgrund der Veröffentlichung dieses „Staatsgeheimnisses“ in der Wochenzeitung Koha e Jone steckten die Ordnungshüter den verantwortlichen Redakteur Martin Kea und seinen Informanten, den Offizier Romeo Licaj, vor einem Monat in Untersuchungshaft.

Am Montag entschied das Bezirksgericht in der albanischen Landeshauptstadt, Kea habe wegen „Geheimnisverrats“ eine eineinhalbjährige Freiheitsstrafe abzusitzen und Licaj wegen „Unterhöhlung der Kampfbereitschaft der Volksarmee“ sogar vier Jahre. Damit lag das Gericht mit dem Strafmaß noch über den Anträgen der Staatsanwaltschaft.

Nach dieser drakonischen Strafverfolgung droht der schwelende Konflikt zwischen den freien Presseerzeugnissen und der albanischen Regierung weiter zu eskalieren. Denn allein im vergangenen Vierteljahr gab es mindestens drei Fälle, in denen die journalistische Beschäftigung mit Militärdingen den Autoren mehr als nur Ärger einbrachte. Im Dezember wurde ein Journalist des ehemaligen kommunistischen Zentralorgans Zeri i Popullit für mehrere Tage in Haft genommen, weil er die Reformen in der albanischen Armee kritisiert hatte. Im Januar wurden ein Oberst und ein Journalist festgenommen, nachdem sie die Ergebnisse einer Meinungsbefragung veröffentlicht hatten, derzufolge das Offizierskorps mit seiner wirtschaftlichen Situation unzufrieden ist.

Trotz der staatlichen Einschüchterung wollen regimeunabhängige Journalisten und Schriftsteller ihre kritische Berichterstattung fortsetzen. An den Universitäten sollen Dichterlesungen und ein zeitweiliger Unterrichtsboykott die Freilassung von Martin Kea und Romeo Licaj zu erzwingen. Die politische Führung in Tirana bleibt jedoch bei ihrer Argumentation: Wer so etwas schreibe, sei ein „Verräter an der Nation“ und ein „serbischer Agent“. Karl Gersuny