■ Freispruch in Bonn für die GSG-9-Aktion in Bad Kleinen
: Von Aufklärung keine Spur

Man muß es nur lange genug behaupten, dann wird es schon geglaubt werden. Dies ist die Strategie von Bundesinnenminister Kanther, mittels derer er, acht Monate nach dem Desaster von Bad Kleinen, den Verdacht einer vorsätzlichen Tötung des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams endgültig entsorgen will. In den ersten Berichten der Staatsanwälte und der Bundesregierung hatte es wenigstens noch geheißen, ein sogenanntes „Fremdverschulden“ beim Tod des Grams könne nicht ausgeschlossen werden. Parallel zum abnehmenden öffentlichen Interesse an den Vorgängen in Bad Kleinen wurde dann nach und nach, vor allem seitens Kanthers, die These von der „Wahrscheinlichkeit“ eines Selbstmordes in den Vordergrund gerückt. Mit dem jetzt erstellten Abschlußbericht hat diese Strategie ihren Schlußpunkt erreicht: Jeder Zweifel ist nun ausgeräumt. Lapidar heißt es: Es war Grams, der sich „in Suizidabsicht selbst tötete“.

Tatsächlich werden die Schlußfolgerungen Kanthers durch keinen der bisher vorgelegten Berichte gedeckt. Wie schon in ihrem Zwischenbericht muß die Bundesregierung auch im Endgutachten einräumen, entscheidende Fragen nicht aufklären zu können. Beispielsweise die, wo die Waffe aufgefunden wurde, mit der sich Grams angeblich selbst getötet hat. Die „rückhaltlose Aufklärung“, die Kanther zu seinem Amtsantritt versprochen hat, erweist sich als Manöver, das die in Mißkredit geratenen Sicherheitsbehörden rehabilitieren soll.

Wie wenig die Bundesregierung bereit ist, organisatorische Schlußfolgerungen aus dem katastrophalen Polizeieinsatz zu ziehen, zeigt sich im Kapitel „Konsequenzen aus der Polizeiaktion“. Alle dort aufgeführten Maßnahmen gehorchen der Maxime „Es muß sich vieles ändern, damit alles beim alten bleibt“.

Wo Aufklärung versprochen, nicht aber durchgesetzt wird, ist Presseschelte angesagt, um kritische Nachfragen zu denunzieren. Daß die Medien die Grenzen ihrer Informations- und Aufklärungspflicht „überschritten“ hätten, wie es aus dem Hause Kanther tönt, ist nur der Versuch, das Versagen auf die angeblich „ungeprüfte“ Berichterstattung der Medien zu projizieren.

Der Abschlußbericht ist bereits überholt, bevor er den Bonner Rechts- und Innenausschüssen kommende Woche zugeleitet wird. Über die wahre Rolle des V-Mannes Steinmetz verliert das Gutachten kein Wörtchen. Daß dieser nach Meinung des BKA wahrscheinlich weitaus stärker in die RAF eingebunden war als bislang angenommen – auch das mußten erst die Medien ans Licht fördern. Für Kanther ist das wahrscheinlich nur ein weiterer Beleg für die Überschreitung der Informationspflicht durch die Medien. Wolfgang Gast