■ Mit EU-Volksabstimmungen auf du und du
: Schwedische Strategien

Stockholm (taz) – Wenn die SchwedInnen dem EU-Beitritt in der fälligen Volksabstimmung zustimmen sollen, braucht die Regierung dazu Rückenstärkung von den Gewerkschaften. Die Spitze des Gewerkschaftsdachverbands LO ist vom Beitritt in Brüssel auch überzeugt, allein die Basis gilt als unsicher.

Am Wochenende wurde ein internes Strategiepapier bekannt, daß beschreibt, wie die LO-Zentrale Stimmung für die EU machen will. Nicht zu konkret werden, nicht auf Information setzen, „sondern die großen Zukunftsvisionen ausschmücken, den Schritt weg von der Information hin zur Agitation nehmen“. Und „wenn die Ja- Seite sich zu sehr auf Informationen stützt, wird es für Nein leichter, die Diskussion zu gewinnen“. Es sei wesentlicher, das richtige Klima für ein Ja-Gefühl zu schaffen.

Umfragen zeigen, daß die zu 90 Prozent gewerkschaftlich organisierten SchwedInnen vor allem die vorbehaltlose Zustimmung der Arbeitgeberseite zur EU mißtrauisch gegenüber Brüssel macht. Kann das, was die Bosse wollen, auch wirklich gut für uns sein?

Es gilt für die LO-Strategie also, sich deutlich vom Ja der Arbeitgeber abzusetzen und trotzdem ja zu sagen. Wie, ist auch schon klar: „Daß der Arbeitgeberverband jetzt offen zum Angriff auf einen Ausbau der sozialen Dimension in der EU übergeht, ist zwar bedauerlich, öffnet aber gleichzeitig gute neue Möglichkeiten für unsere Kampagne: Man kann jetzt gegen die Arbeitgeber und doch gleichzeitig für Brüssel argumentieren.“ Ein Schelm, der nicht an eine stillschweigende Abstimmung mit den Arbeitgebern denkt.

Auch bei der Anti-EU-Bewegung gilt die Haltung der LO bei der Volksabstimmungskampagne als potentiell entscheidender Faktor für den endgültigen Ausgang. Die Nein-zur- EG-Bewegung hat im Sinne der finanziellen Chancengleichheit einen guten Teil der Volksabstimmungs-Millionen für ihre Informationsarbeit erhalten. Und bislang hat sie trotz der übermächtigen Ressourcen der Ja-Seite das Gleichgewicht in der Bevölkerungsmeinung erhalten können.

Ein Mehrheits-Ja scheint vor allem nicht sicher, solange die ungeliebte bürgerliche Koalitionsregierung im Amt sitzt. Deshalb setzen die LO-Taktiker auch auf ein Verschieben der Volksabstimmung bis nach den Parlamentswahlen im September: Der dann allgemein erwartete Erdrutschsieg für die SozialdemokratInnen würde einer Kurzkampagne für einen Volksabstimmungstermin im Oktober oder November den richtigen, von der Arbeiterbewegung geführten Ja-Drive verleihen. Reinhard Wolff