Felix Austria – wenige Laster

Nach Finnland und Schweden schloß Österreich die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union ab / Vorläufig nicht mehr Transitlaster  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Um das selbstgesetzte Ziel, die Beitrittsverhandlungen spätestens am 28. Februar abzuschließen, einzuhalten, ließen die Außenminister der Europäischen Union Montag gegen Mitternacht im Ministerrat die Uhren anhalten. 24 Stunden später hatten sie sich dann nach Schweden und Finnland schließlich auch mit Österreich geeinigt.

Nur mit Norwegen blieb der entscheidende Punkt offen: Norwegen will den südeuropäischen Fischfang-Flotten in norwegischen Gewässern keine Fanglizenzen einräumen. Um den Beitritt zum 1. Januar 1995 noch möglich zu machen, müßte es spätestens nächste Woche zu einer Einigung kommen. Sonst kann sich das Europäische Parlament nicht mehr rechtzeitig damit befassen.

Das letzte Hindernis für den österreichischen Beitritt war der Streit um das Transitabkommen, das den Lastwagenverkehr über den Brenner bis 2004 nach Umweltgesichtspunkten einschränkt und die Umweltbelastung in den Bergtälern um 60 Prozent reduzieren soll.

Die Außenminister der EU waren im Gegensatz zur Regierung in Wien mehrheitlich der Meinung, daß der vor zwei Jahren mit Österreich geschlossene Vertrag mit dem Beitritt hinfällig wird oder zumindest drastisch verkürzt werden muß. Der Kompromiß sieht nun vor, daß am Ziel der Umweltentlastung bis 2004 festgehalten wird, am System der Ökopunkte aber nur bis 2001. Wenn die Europäische Kommission bis dahin Möglichkeiten gefunden hat, die 60prozentige Schadstoffverringerung auf anderem Weg als über die Öko-Punkte zu erreichen, dann läuft der Vertrag aus. Sollte ihr dieses Kunststück, freie Fahrt für saubere Brummis, nicht gelingen, dann gelten die Öko-Punkte wie vorgesehen bis 2004.

Die Reaktionen in Österreich waren gestern gespalten. Während die Sozialdemokraten, die konservative Volkspartei und das liberale Forum von Erfolg sprachen, kritisierten Haiders braune Liberale, Wien sei in Brüssel „k.o. gegangen“. Das Transitforum Tirol, ein Zusammenschluß von Umweltschutzgruppen und Bürgerinitiativen, sehen die Tiroler nun „endgültig zum Verlierer der Alpen gestempelt“. Die EU-skeptischen österreichischen Grünen wie das Transitforum kündigten Widerstand an. Das letzte Hindernis für den Beitritt Österreichs wird die Volksabstimmung am 21. Juni sein, dem Tag der Europawahlen.

In Schweden, wo nach Meinungsumfragen immer noch die Mehrheit der Bevölkerung gegen den EU-Beitritt ist, wurde das Brüsseler Ergebnis vom Regierungschef Carl Bildt als großer Erfolg gefeiert. Die EU-Außenminister kamen Schweden sowohl beim Bedürfnis nach Sonderregeln für die aus gesundheitsphilosophischen Gründen extrem hohe schwedische Alkoholsteuer entgegen, wie auch bei der binnenmarktunverträglichen Zulassung des vor allem von Frankreich als besonders ungesund gefürchteten Kautabaks Snus. In erster Linie aber hat die EU dem künftigen Nettozahler den Einstieg durch fest zugesagte Rückflüsse in Höhe von rund 750 Millionen Mark erleichtert, zum Beispiel über einen eigens ausgearbeiteten Sonderfonds für dünnbesiedelte Gebiete.

Finnland, das ursprünglich 100 Prozent seiner landwirtschaftlichen Flächen als benachteiligte Gebiete ausweisen und dafür Sonderförderung in Anspruch nehmen wollte, bekam den Sonderstatus für immerhin 75 Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen. Nach Protesten der finnischen Landwirtschaft kündigte Ministerpräsident Esko Aho an, das Verhandlungsergebnis nur als Basis zu akzeptieren, auf der nun weiterverhandelt werden müsse. Der Brüsseler Abschluß sei „offen für Interpretationen“.

Die norwegische Regierung pokert weiter und hofft offensichtlich, daß es für ihr Land nach abgeschlossenen Beitrittsverhandlungen mit den Nachbarn Schweden und Finnland nun leichter werden könnte. Im wesentlichen geht es immer um dasselbe Problem. Norwegen möchte in die EU, ohne seine reichen Fischgründe der EU zu öffnen. Vor allem die spanische Regierung verlangt, daß ihrer modernen Flotte zusätzliche und nach Madrider Ansicht „historisch begründete“ Fangrechte im hohen Norden zustehen. Die Norweger fürchten, daß das Abfischen von weiteren 18.000 Tonnen Fisch den Fischbestand gefährdet. Die anderen Probleme wurden gestern nacht noch weitgehend gelöst.