Reibungslos in die Milliardenpleite

Trotz massiver Widerstände: Kabinett segnet Transrapid ab / Magnetbahn entwickelt große Anziehung auf Haushaltsmilliarden / Zustimmung des Bundesrats unwahrscheinlich  ■ Aus Bonn Hans Monath

Die Wortwahl des sonst eher unscheinbaren Forschungsministers Paul Krüger (CDU) erinnerte an die Versprechungen bei der Vorstellung der Hitler-Tagebücher. Mußte damals angeblich die Geschichte der NS-Herrschaft umgeschrieben werden, so wurde gestern mit der Entscheidung des Bundeskabinetts zum Bau des Transrapids nichts Geringeres als „ein neues Kapitel in der Geschichte der Verkehrstechnik“ aufgeschlagen.

Ähnlich wie Krüger sprach auch Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) gestern vor der Presse der eben beschlossenen Referenzstrecke einer Magnetschwebebahn zwischen Hamburg und Berlin gleichsam magische Kräfte für die Belebung der deutschen Wirtschaft und des deutschen Arbeitsmarktes zu.

Ob der Transrapid als Skandal einmal die Dimensionen des Stern- Tagebuch-Desasters erreicht, muß sich noch weisen. Fest steht bislang nur eines: Noch nie hat ein Verkehrsprojekt in Deutschland seine Gegner zu mehr Schmähpoesie und bilderreicherer Kritik angestachelt als der Transrapid. Als „Milliardenflop ohne Chance auf Verwirklichung“ (so der SPD-Abgeordnete Michael Müller), als „Steuergrab auf Stelzen“ (so der Verkehrsclub Deutschland) oder als „Investitionsruine“ (so der BUND) verurteilen Umwelt- und Naturschutzverbände sowie Oppositionsabgeordnete die rund dreihundert Kilometer lange Stelzenstrecke zwischen Hamburg und Berlin.

Reibungsfrei ist nur die Bewegung des Zuges auf den in rund 4,70 Meter Höhe montierten Magnetleitern – in der politischen Landschaft ist der Widerstand dagegen groß: In fast jedem Ort entlang der geplanten Strecke, so brüstet sich bereits der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), arbeite schon eine Bürgerinitiative gegen den Bau des lauten Hochgeschwindigkeitsrasers.

Selbst die Bundesregierung hatte die Entscheidung über das Prestigeobjekt nach Bedenken wegen der hohen Kosten noch einmal verschoben. 1,8 Milliarden Mark aus Bundesmitteln waren für die Entwicklung des Magnetleiters bereits ausgegeben.

Das gesamte Projekt erfordert nach dem Kabinettsbeschluß Investitionen von 8,9 Milliarden Mark, wovon der Steuerzahler laut Wissmann rund 3,2 Milliarden zu zahlen hat. Zudem hofft die Bundesregierung auf 10.000 Arbeitsplätze, die angeblich geschaffen werden, wenn das High-Tech-Produkt sich ins Ausland verkaufen läßt.

Die Berechnungsgrundlagen für das Milliardenvorhaben, so werfen auch konservative Verkehrsexperten der Bundesregierung vor, gehen von sogenannten „Bestfallannahmen“ aus: 14 Millionen Fahrgäste jährlich sollen danach in weniger als einer Stunde zwischen den beiden Städten bewegt werden. Kritiker sehen schon Milliarden-Belastungen auf den Steuerzahler zukommen.

Noch ungeklärt ist auch, ob der SPD-dominierte Bundesrat dem Gesetz zustimmt. Ein großer Teil der Sozialdemokraten hat sich ebenfalls kritisch über den Transrapid geäußert, die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein lehnen das Projekt ab.

Verkehrsminister Wissmann aber sagte gestern, es sei zu früh, um schon zu beurteilen, wie sich die SPD im Bundesrat verhalten werde. Zu einer Blockade, so machte sich Wissmann Mut, werde sich die SPD kaum entschließen.

Die Strecke mit Zwischenhalt in Schwerin soll spätetens 2005 in Betrieb gehen. Das Bundeskabinett stimmte einem besonderen Planungsgesetz zu, das von der Koalition bereits nächste Woche in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird.