BKA jagt nun Kriegsverbrecher

■ Adressen von 13 mutmaßlichen Kriegsverbrechern bekannt

Bonn (taz) – Die öffentlichen Vorwürfe wegen der Untätigkeit deutscher Behörden gegenüber serbischen Kriegsverbrechern in der Bundesrepublik haben offenbar Wirkung gezeigt. Gestern informierten sich drei Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen darüber, welche Informationen dort über Folterer und Totschläger vorliegen, die in der Bundesrepublik untergetaucht sind. Zuvor hatten nach Angaben von GfbV-Chef Tilman Zülch schon Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und die Bundesanwaltschaft um Informationen gebeten. Bei der GfbV beschäftigen sich unter anderen zwei Mitarbeiter des Zentrums für die Untersuchung von Kriegsverbrechen und Völkermord an Muslimen aus Zenica mit der Prüfung der Angaben.

Die Nachricht von der Verhaftung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Dusko Tadic in München hatte Mitte Februar weitere bosnische Exilanten ermutigt, Angaben über in Deutschland lebende Totschläger und Folterer zu machen. Inzwischen haben Überlebende oder Angehörige von Opfern gegenüber der GfbV die Adressen von 13 namentlich bekannten mutmaßlichen Kriegsverbrechern genannt, sagte Zülch. Er habe den Eindruck, daß die Informationen vom BKA „sehr ernst genommen“ würden. Die Beamten hatten in den Räumen der GfbV in Göttingen auch mit den Mitarbeiterinnen des Dokumentationszentrums Zenica gesprochen. Er wünsche sich, daß deutsche Vernehmungsbeamte bei weiteren Verhören sich der psychischen Verletzlichkeit der bosnischen Zeugen bewußt seien und vorsichtig mit ihnen umgingen, sagte Zülch. Er wisse von Fällen, in denen Exilbosnier nach stundenlangen Verhören durch deutsche Behörden zusammengebrochen seien und in Krankenhäuser eingeliefert wurden.

Nach Angaben des Bundesjustizministeriums verfolgt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gegenwärtig 13 Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien, die sich insgesamt gegen mehr als 30 Beschuldigte richten. Davon richteten sich zwei Verfahren gegen Unbekannt.

Als „bestürzend“ bezeichnete GfbV-Chef Zülch gestern den Umstand, daß die Strafverfolgung serbischer Kriegsverbrecher in Deutschland nicht in dem Maße abschreckend auf Folterer und Gewalttäter in Bosnien wirke, wie seine Organisation das erwartet habe. Inzwischen seien aus der von Serben besetzten Region um Priejtor neue Nachrichten über eine neue Welle von Gewalttaten eingegangen. Noch nach der Verhaftung von Dusko Tadic seien dort 28 Morde an Muslimen begangen worden. Hans Monath