Stromerzeugung mittels Solartechnik schreckt – naturgemäß – Atomlobby und Stromkonzerne. Im Landtag von NRW wurde gestern auf Drängen der SPD-Fraktion über das zukunftsweisende „Aachener Modell“ debattiert. Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Ökostromschlag weckt Umweltmuffel

Oh nein, wenn es um die verbale Zukunftsbewältigung geht, dann läßt sich die sozialdemokratische Düsseldorfer Landesregierung so leicht nicht übertreffen. Keine Broschüre, keine Rede des Wirtschaftsministers Günther Einert, in der nicht der „ökologische Umbau“, die „ökologische Erneuerung“ des Landes beschworen würde. Große Worte über den notwendigen Ausbau der regenerativen Energieversorgung kamen Einert auch gestern im Düsseldorfer Landtag während der Debatte über die kostengerechte Vergütung für Strom aus regenerativen Energien wieder über die Lippen. Schöne Worte, doch in der Praxis erweist sich Einert als einer der entscheidenden Bremser der Solarenergie.

Davon kann man in der Domstadt Aachen ein Lied singen. Das dortige Stadtparlament faßte im vergangenen Jahr mit den Stimmen von SPD, Grünen und einigen CDU-Vertretern einen wegweisenden Beschluß. Die ungewöhnliche Koalition wollte die örtlichen Stadtwerke zwingen, für den Strom aus privaten Wind- und Sonnenenergieanlagen tatsächlich kostendeckende Preise zu bezahlen. 30 Pfennig pro Kilowattstunde (kWh) Windenergie, zwei Mark pro kWh für den zur Zeit noch teuren Sonnenstrom aus Photovoltaikanlagen – zunächst begrenzt für eine Leistung von 1.000 Kilowatt je Energieträger. Umgelegt werden sollten diese Kosten auf die privaten, nichtgewerblichen Stromkunden. Eine Preissteigerung um 0,5 Pfennig (1,6 Prozent) pro Kilowattstunde reicht dafür nach den Berechnungen des Aachener Umweltdezernenten Dr. Getz (CDU) aus. Ein Dreipersonenhaushalt müßte pro Jahr etwa mit Mehrkosten von gut 13 Mark rechnen. Doch genau diesem, die öffentlichen Kassen schonenden Modell verweigerte Einert seine Zustimmung.

Eine verhängnisvolle Blockade. Würde das Aachener Modell auf die Bundesrepublik insgesamt übertragen, entstünde eine Solarenergieleistung von 330 Megawatt. Damit würde in Deutschland ungefähr das Sechsfache der aktuellen Weltjahresproduktion von Solarzellen installiert. Der erste entscheidende Durchbruch für die solare Energiezukunft wäre geschafft, denn die hängt nach dem Bericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „wesentlich davon ab, daß ein Übergang auf eine Großserienfertigung gelingt“. Bei einer Massenproduktion von Photovoltaik-Anlagen „könnten die Stromgestehungskosten selbst unter hiesigen Klimabedingungen bis zum Jahre 2005 auf etwa 0,23 bis 0,30 Mark pro kWh fallen und später bei weiteren Fortschritten auf unter 0,20 Mark pro kWh sinken“, heißt es im Kommissionsbericht.

Diese Zukunftsaussicht schreckt die politische Kohle- und Atomlobby wie die großen Energiekonzerne gleichermaßen. Daß deren oberste Lobbygruppe, die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke eine kostendeckende Vergütung des Solarstroms für „nicht vertretbar“ hält, ergibt sich von selbst. Daß sich aber ihr Düsseldorfer SPD-Wirtschaftsminister unisono mit dem Bonner FDP- Kollegen Günter Rexrodt an die Spitze der Blockadefront stellte, mochten viele Sozis zunächst nicht glauben. Aber es ist so. Als Preisaufsichtsbehörde könne er „eine derartig hohe Vergütung“ für Solarstrom „nicht genehmigen“, beschied der Sozialdemokrat – der gegen den um ein vielfaches höher liegenden Strompreisaufschlag als Folge der Kohlesubventionen noch nie ein Wort verloren hat – den Aachenern Kommunalpolitikern naßforsch. Gegen eine Umsetzung sprächen zudem rechtliche Bedenken. In einem Gutachten kommt der Göttinger Professor Ulrich Immenga, bis 1989 Vorsitzender der Monopolkommission, zu einem anderen Ergebnis. Die kostendeckende Vergütung sei eine „wichtige Weichenstellung für die Zukunft“ und vom geltenden Recht abgedeckt. Nachdem Einert danach immer noch unter Bezug auf das Immenga-Gutachten von „einschränkenden Bedingungen“ schrieb, die einer Preisgenehmigung entgegenstünden, sah sich Immenga zu einer Klarstellung per Fax gezwungen: Bei dieser Argumentation des Wirtschaftsministeriums werde übergangen, daß er insgesamt den Aachener Antrag „als rechtlich genehmigungsfähig beurteilt habe“. Eine schallende Ohrfeige für Einert, dessen Abgesandte in Aachen ein Gegenmodell präsentierten, mit dem die Kostendeckung nach Darstellung des Umweltdezernenten Getz auf ca. 50 Prozent begrenzt würde. Dieses Modell, da liegt Getz völlig richtig, ist „nicht geeignet, der Solarstromerzeugung in der Bundesrepublik einen bedeutenden Anschub zu geben“.

Doch inzwischen sind einige in der Düsseldorfer SPD-Fraktion offenbar aufgewacht. Zwar lehnte die SPD-Fraktion gestern einen Gruppenantrag von Abgeordneten aller drei Oppositionsparteien ab, in dem Einert aufgefordert wird, die Aachener Energiepreiserhöhung „positiv zu bescheiden“. Aber dem Inhalt nach will die SPD-Fraktion jetzt ähnliches. In dem gestern dem Landtag zur Abstimmung vorgelegten Antrag fordert sie ihren Minister auf, als Genehmigungsbehörde „eine Obergrenze für mögliche Tariferhöhungen bei den Stromkunden“ vorzugeben, die den Kommunen „Gestaltungsmöglichkeiten für die Förderung regenerativer Energien eröffnet“. Es steht mit Rücksicht auf Einert nicht explizit im Text, aber „wir wollen“, so der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Ernst-Otto Stüber, zur taz, „daß das Aachener Modell möglich wird. Wir unterstützen das.“ Eine solarstrombedingte Preiserhöhung von bis zu 0,8 Pfennig pro kWh hält Stüber für sinnvoll.

Einert ließ sich gestern noch alle Wege offen. Der Minister wörtlich: „Wir suchen einen konsensorientierten Weg bei der Aachener Initiative, der das dortige Engagement voranbringt.“