Neonazis organisieren ihren Vormarsch

■ Gericht erteilt Nationaler Liste Freibrief für Verfolgung von Antifaschisten / Militante Faschisten gründen Aktionsbündnis zur Unterstützung der Republikaner Von Peter Müller

Gerichtlicher Erfolg für die neofaschistische Nationale Liste (NL): Die Neonazis dürfen weiter über ihre Zeitung „Index“ verbreiten, der Wilhelmshavener DGB-Vorsitzende Manfred Klöpper biete „Gewalttätern die Möglichkeit zum Straßenterror“. Ein entsprechendes Urteil kündigte gestern das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) als Berufungsinstanz an.

Klöpper hatte im Mai 1990 als DGB-Vorsitzender eine Demo gegen ein Treffen des inzwischen verbotenen „Deutschen Kameradschaftsbundes“ organisiert. Im Verlauf der Protestaktion war es zu Schlägereien zwischen Antifaschisten und Neonazis gekommen.

In Ausgabe 28 des „Index“ wurde Klöpper an den Pranger gestellt. Im „Anti-Antifa“-Teil der Zeitung war unter Angabe von Name, Anschrift und Telefonnummer zu lesen: Köpper sei schon „mehrfach durch Organisation von unfriedlichen Antifa-Aktivitäten aufgefallen“ und habe „Gewalttätern die Möglichkeit des Straßenterrors verschafft“.

Das Landgericht Hamburg hatte im Januar 1993 der Klage Klöppers auf Widerruf, Unterlassung und Schmerzensgeld nur in einem Teilpunkt stattgegeben. Index-Redakteur Thomas Wulff konnte nämlich nicht beweisen, daß Klöpper „mehrfach“ an unfriedlichen Aktionen teilgenommen habe.

In diesem Fall verdonnerte die Pressekammer den Index auf Widerruf, Unterlassung und Zahlung von 2000 Mark Schmerzensgeld. In der Formulierung, daß Klöpper Gewalttätern ein Forum für „Straßenterror“ biete, sah das Landgericht jedoch eine zulässige Meinungsäußerung.

Der Anwalt der Neonazis, Jürgen Rieger, ging dennoch in die Berufung. In der gestrigen Verhandlung vor dem 3. OLG-Senat konnte er einen weiteren Punktsieg verbuchen. Die Richter kündigten nicht nur an, das Landgerichtsurteil im wesentlichen zu bestätigen, sondern auch das Schmerzensgeld abzuerkennen. Das endgültige Urteil wird am 10. März verkündet.

Die neofaschistische NL mit ihrer Zentrale Hamburg gilt mittlerweile als wichtigste Kraft zur Re-Organisation der militanten Neonaziszene. Ihren Galionsfiguren Thomas Wulff, Christan und Ursula Worch gelang es, durch die Gründung der „Anti-Antifa“ die zerstrittenen militanten Neofaschisten neu zu formieren. Selbst die „Freiheitliche Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) – einst ärgster Konkurrent der Worch-Truppe – mischt mittlerweile bei der Anti-Antifa mit.

Die Nationale Liste versucht nun, den Vernetzungsprozeß fortzuschreiben. „Nach zum Teil kontroversen Beratungen mit der Basis und Vertretern befreundeter Organisations-Strukturen“, so NL-Chef Thomas Wulff, ruft die NL als Bestandteil der „radikalen Nationalen Opposition“ zur Gründung eines „Aktionsbündnis Republikaner in den Bundestag“ auf. Wulff: „Die Zustimmung im Volk für eine Partei rechts von CSU/CDU ist unserer Meinung nach so groß, daß ein Einzug der Reps in den Bundestag mehr als wahrscheinlich sein wird“.

Mit ihrer Initiative hofft die NL, sich dem „Verbots- und Verfolgungsterror“ durch die staatlichen Behörden entziehen zu können. Hamburg hatte Ende vorigen Jahres beim Bundesinnenminister das Verbot von NL und FAP beantragt.

Darüber hinaus hofft die NL, eine Polarisierung in der rechten Szene zu erreichen. Wulff: „An deren Verhalten werden viele ehrliche deutsche Patrioten erkennen können, worum es den Reps wirklich geht“. Und: „Wir erwarten mit Sicherheit schon nach kurzer Zeit die ersten Rechtsabweichler in den Reihen der Reps. Diese Rechtsaußen der Reps werden in Zukunft die Stimme im Bundestag sein, mit der wir uns zu Worte melden“.

Die Reps werden derzeit nicht vom Bundesamt für Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln – V-Leute oder Wanzen – observiert. Das behauptete gestern Nordrhein-Westfalens (NRW) Innenminister Herbert Schnoor in einem Interview mit dem ARD-Politmagazin „Panorama“. NRW und Hamburg hatten im Dezember 1992 den Antrag gestellt, die Reps zu beschatten.

Grund für Schnoors Annahme: „Mir liegen keine Erkenntnisse vor, die auf die Arbeit des Bundesamtes zurückgehen. Ich halte diese Zurückhaltung für gefährlich“. Der Vorwurf ist insofern brisant, weil das Bundesamt seit Monaten in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, die Reps intensiv zu beobachten. Zum anderen ist nach Auffassung Schnoors eine Beobachtung ohne nachrichtendienstliche Mittel zwecklos: Die „Geschichte der Republikaner“ zeige, daß sie sich „tarnen“ und der wirkliche Wille der Partei nicht im Programm stehe, sondern in Parteiführung und an der Basis zum Ausdruck komme.

Das Bundesamt wollte sich zu dem Vorwurf nicht äußern, auch Hamburgs Verfassungsschutzchef Ernst Uhrlau wollte keine Stellung nehmen. Eine Mitarbeiterin: „Bevor Herr Uhrlau die Panorama-Sendung nicht gesehen hat, kann er dazu nichts sagen.“