Tapetenwechsel für die Maler

■ Der Kummer der Galeristen mit der Künstlerförderung: Kuriose Preise im Bremer "Schonraum"

„Die beste Förderung für einen Künstler ist, wenn man seine Bilder kauft.“ Diesen Satz aus dem Munde einer Galeristin zu hören, nimmt nicht weiter Wunder. Aber Brigitte Seinsoths Aufforderung gilt nicht allein den privaten Kunstsammlern: Auch der Staat soll über eine bessere, vor allem „konzentrierte Form“ der Künstlerförderung nachdenken. Damit steht sie nicht allein in ihrer Zunft. Kritik an der Breitensportförderung der Künste, wie sie in Bremen traditionell betrieben wird, üben auch andere Galeristen – freilich auch aus merkantilen Überlegungen: Im Bremer „Schonraum“, der insbesondere durch das Modell der „sozialen Künstlerförderung“ entstanden sei, blühten teils Preisvorstellungen, die jenseits der handelsüblichen Kunstmarkt-Tarife lägen.

Zehn Tausender für eine Papierarbeit: Das z.B. wollte Katrin Rabus, als Galeristin ansonsten eine Freundin feinster Avantgardekunst, dann doch nicht mitmachen. Zumal es sich um einen noch jungen Bremer handelte. Denn da zahlt's sich naturgemäß nicht so schnell aus: „Viele Künstler haben hier überhaupt keine Ahnung davon, daß man fünf, sechs Jahre braucht, bevor man was von ihnen verkaufen kann“, rechnet Kollegin Seinsoth vor. „Was wir hier an Vorleistungen bringen, das sind doch alles Investitionen in die Zukunft.“

In der Zwischenzeit aber müßte der Staat helfen – nur anders als bisher. Denn das derzeitige Verfahren, so ist es die Erfahrung manches Galeristen, verführt den einzelnen Künstler immer wieder zu z.B. folgender Rechnung: 16.000 Mark „soziale Künstlerförderung“ für ein Jahr bezogen; als Gegenleistung vier Bilder an die Stadt abgegeben – macht im Schnitt 4000 Mark; zzgl. der Provision des Galeristen ergibt das 8000 Mark, mit denen das Bild dann in der Galerie feilgeboten wird. Oder eben nicht. Denn angesichts solcher Kalkulationen hat u.a. Rabus es aufgegeben, mit geförderten Künstlern zu arbeiten: „Mich interessiert eher die zweite Reihe, da kann man noch was gemeinsam aufbauen – Stars kann man nur ausbeuten.“

Gerade den vermeintlichen „Stars“ der Szene empfiehlt Seinsoth einen Tapetenwechsel. Die staatliche Förderung müßte es künftig ermöglichen, „daß die Künstler rauskommen aus Bremen; dieses ganze ABM-Programm hat sie sehr seßhaft gemacht.“ So fordert es nun auch der heimische BBK (Berufsverband Bildender Künstler). Die bisherige Regelung sei „kein Ersatz für eine notwendige Förderung in Form von Stipendien, Katalogzuschüssen, Ausstellungshonoraren“ – und Ankäufen, die eben nicht vorrangig aus sozialen, sondern qualitativen Gründen getätigt werden sollten. „Einen Ankauf durch die Stadt Bremen kann man in die Biografie schreiben“, sagt Seinsoth, „aber nicht die soziale Künstlerförderung.“

An deren Notwendigkeit besteht dabei kein Zweifel. Nur: Das, was einmal als Notlösung gedacht war, „wird von manchen Leuten als Automatismus begriffen, als Dauerzustand“, sagt Seinsoth. Ihr Kollege Rolf Ohse, der sich jahrzehntelang leidenschaftlich durch die Szene geackert hat, bekräftigt das: „Auch beim Künstler muß Enthusiasmus spürbar sein“ – etwas, das er freilich auch bei einigen seiner Kollegen vermißt. Auf dem aufgeblähten Kunstmarkt der 80er hätten sich Galeristen breitgemacht, die „genausogut auch was anderes verkaufen könnten.“ Das habe sich auch auf die Sammler, und zuletzt die Künstler übertragen: „Bildende Kunst wird ja heute nicht mehr mit den Augen, sondern mit den Ohren gekauft“ – je angesagter ein Name, desto weniger wird auf die Qualität geschaut.

Daß den Bremer Künstlern das Geld nachgeworfen wird, behauptet freilich niemand. Nur das „Prinzip Gießkanne“ (Ohse), das sollte durch eine „differenzierte Förderung“ (Seinsoth) ersetzt werden. Und da stellt sich auf's neue die Frage, welche Qualitäten einen Künstler denn als förderungswürdig ausweisen. „Das Problem“, sieht Seinsoth ein, „ist es natürlich, die herauszulesen, die wirklich Kunst machen müssen“ – aber: „Das kriegen manche eben früh raus, manche erst sehr spät.“

Bis dahin sehen sich die Galerien als Überlebenshelfer – auch, wenn das ihrer Meinung nach viel zu wenig beachtet wird. „Wir haben viele Künstler hier in Bremen jahrelang über Wasser gehalten“, sagt Seinsoth. „In vielen Köpfen ist der private Bereich aber gar nicht mehr drin; unsere Arbeit ist für eine lebendige Kultur in dieser Stadt doch unheimlich wichtig.“ tom